„Töten kann keine ärztliche Aufgabe sein“

Saarbrücken/Berlin · Palliativmediziner haben erhebliche Bedenken gegen eine gesetzliche Neuregelung der Sterbehilfe. Sie schaffe eher Unsicherheiten. Notwendig sei vielmehr eine bessere Versorgung von Schwerstkranken an ihrem Lebensende.

"Herr Doktor, ich möchte sterben. Bitte helfen Sie mir dabei." Auch Dietrich Wördehoff hat diese Bitte schon gehört. Mehr als nur einmal. Nachgekommen ist er ihr noch nie. "Es gab immer andere Wege, den Patienten zu helfen", sagt der Saarbrücker Palliativmediziner . So sieht das die überwältigende Mehrheit der Kollegen in seinem Fachbereich auch. Nur drei Prozent gaben in einer aktuellen Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) an, bereits Beihilfe zum Suizid geleistet zu haben. Obwohl drei Viertel in den vergangenen fünf Jahren von durchschnittlich zehn Patienten gebeten wurden, ihnen beim Sterben zu helfen.

Mehr als die Hälfte der Befragten lehnen assistierten Suizid grundsätzlich ab. Für knapp 60 Prozent gehört die Beihilfe auch nicht "zum Grundverständnis der Palliativmedizin". Ihr Ziel ist es vielmehr, das Leiden von Patienten , für die es keine Heilung mehr gibt, zu verringern sowie Schmerzen, Atemnot und Ängste zu lindern. "Töten kann keine ärztliche Aufgabe sein", sagt der ehemalige DGP-Präsident Friedemann Nauck.

Der Verband hat auch Bedenken gegen ein Gesetz zur Sterbehilfe . Dieses bringe im Grunde nur mehr Graubereiche und Unsicherheiten. Der Gesetzgeber will die Beihilfe zur Selbsttötung allerdings regeln. Der Rechtsausschuss des Bundestages befasst sich heute mit vier verschiedenen Gesetzentwürfen von Parlamentariergruppen. Sie reichen von einer liberalen Regelung insbesondere für Ärzte bis zu einem Verbot der Suizidbeihilfe. "Eine Normalisierung des ärztlich assistierten Suizids wäre ebenso der falsche Weg wie dessen strafrechtliches Verbot", erklärt DGP-Präsident Lukas Radbruch. Allein der Entwurf, der auch im Bundestag die meisten Unterstützer hat, erscheint der DGP sinnvoll. Er zielt darauf, die Sterbehilfevereine zu verbieten. Entschieden werden soll über die Neuregelung im November - ohne Fraktionszwang.

"Ich kann es verstehen, dass Menschen den Wunsch äußern zu sterben, wenn es ihnen sehr schlecht geht und sie Angst haben vor dem, was auf sie zukommt", sagt Wördehoff, der Sprecher der DGP-Landesvertretung Saar ist. "Doch in den allermeisten Fällen verschwindet der Wunsch, wenn man sich um die Menschen kümmert. Ich betrachte ihn als einen Hilferuf." Seit Jahren setzen sich Palliativmediziner deshalb dafür ein, die Betreuung sterbenskranker Menschen auszubauen.

Das geplante Hospiz- und Palliativgesetz, das ebenfalls im November vom Parlament verabschiedet werden soll, werten sie als Schritt in die richtige Richtung. Es sieht vor, die Ausgaben für die Begleitung am Lebensende um 200 Millionen auf 600 Millionen Euro jährlich zu erhöhen. Die DGP weist jedoch auch auf Schwächen im Entwurf hin. So müsse mehr getan werden, um die Palliativversorgung in Kliniken und Altenheimen zu verbessern. Wördehoff ist sich sicher: Je besser die palliative Versorgung, desto weniger Patienten würden um Hilfe beim Suizid bitten. "Die meisten Menschen wollen lieber auf natürlichem Weg sterben."

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HintergrundIm Saarland gibt es nach Auskunft der Landesvertretung der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin flächendeckend in jedem Landkreis ambulante Palliativdienste. Hinzu kommen stationäre Hospize in Saarbrücken, Bous und St. Wendel. Ein weiteres entsteht derzeit in Neunkirchen. Palliativstationen oder spezialisierte Teams haben Kliniken in Saarbrücken, St. Wendel, Saarlouis, Merzig und Homburg. mast

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