Töff, töff, töff, die Eisenbahn
Losheim am See · Christian Balle spielt gerne den Lokführer. Allerdings nicht zu Hause an der Modelleisenbahn. Vielmehr steuert Balle eine echte Dampflok – immer dann, wenn die Museumsbahn Losheim zum Fahrtag lädt. Die Saison beginnt am Ostermontag.
In dichten Wolken qualmt dunkler Rauch aus dem gusseisernen Schornstein Richtung Hallendach. Im Lokschuppen zischt, schnauft und stampft es ohrenbetäubend. Es riecht nach Öl und Abschmierfett. Metallisch knallen die Rückschlagventile in den Rohrleitungen der Lokomotive. Mit knapp vier bar hat sie nun genug Druck auf dem Kessel, um die Bremsen zu lösen. Fast zögerlich setzt sich das Dampfross in Bewegung. Tschtschtsch, schnauft die frühere Saarberg-Lok, während Heizer Julian Adams sie rückwärts aus dem betagten Backstein-Bau fährt. Es ist Fahrtag beim Museumseisenbahn-Club Losheim , der letzte im Herbst. Danach geht es für die Dampflok 26 in den Winterschlaf. Erst an diesem Ostermontag wird der schwarz-rote Koloss wieder zu einer Reise in die Vergangenheit abdampfen.
Reichen die vier bar für das Rangieren, benötigt die Dampfmaschine auf Rädern für den Fahrbetrieb mehr Druck - zwischen zwölf und 13 bar - und einen geprüften Lokführer . Der heißt Christian Balle und wird später zusteigen. Ehe die Lok mit der Fabrikationsnummer 23 701 ihren Betriebsdruck erreicht, dauert es noch eine gute Stunde. Die Fahrstrecke wird dieselbe sein wie immer: Es geht von Losheim nach Merzig und über die Dellborner Mühle zurück zum Ausgangsbahnhof. Die Zeit bis zur ersten von insgesamt fünf Fahrten verstreicht nicht ungenutzt: Adams rangiert die 1937 gebaute Lok über die Gleisanlage des Losheimer Bahnhofs und stellt Passagier-Waggons zu einem Zug zusammen. Danach wird Kohle gefasst. Auch die Tanks werden befüllt - 5,2 Kubikmeter Wasser fasst die Lok. Bis zu 20 Kubikmeter davon verdampft sie über den Tag. Dafür werden zweieinhalb bis drei Tonnen Kohle verfeuert. "Wir bezahlen für eine Tonne Kohle zwischen 300 und 330 Euro", erzählt Manfred Britz, der wie Adams Heizer ist. "Steinkohle, die hat den besten Heizwert." Die Kohle beziehen die Losheimer aus dem Ausland. Weil die Saar-Gruben geschlossen haben? "Nein, wir haben auch vorher schon mit Import-Kohle geheizt. Wir benötigen faustgroße Stücke, von Saarberg gab es nur Kohle in Nuss-Größe."
Ehe die 1993 sanierte Lokomotive mit den angehängten Donnerbüchsen abfährt, wird noch die Verpflegung für die Fahrgäste im historischen Bordrestaurant verstaut. Es gibt Erfrischungsgetränke, Brötchen, Kaffee, Kuchen - nichts Großes, eher was für zwischendurch. Die Bestückung besorgt das bis zu 15-köpfige Bordpersonal. Die Zugmaschine selbst bedienen in abwechselnder Besetzung drei Lokführer und fünf Heizer. "Es will jeder mal fahren an so einem Tag; allzu oft gibt es die Gelegenheiten ja nicht", erzählt Adams. In diesem Jahr sind nach der Eröffnungsfahrt am Ostermontag 13 weitere Fahrtage angesetzt.
Ob er bei der ersten Fahrt des Jahres im Führerhaus stehen wird, weiß Christian Balle noch nicht. An diesem schönen Spätherbsttag im Oktober ist der Lokführer jedoch im Einsatz - und in seinem Element. "Ich mag es, wenn es überall klopft und zischt", sagt Balle. Seit 1983 ist er im Verein. "Man darf niemals vergessen, dass das alles nicht ungefährlich ist. Wir fahren hier auf einer Dampflok, und die hat mächtig Druck auf dem Kessel." So stark wie 330 Pferde ist die Henschel - und diese Kraft braucht die ehemalige Rangierlok der Saarberg-Werke im Fahrdienst. Das merkt man vor allem zwischen Bachem und Losheim . "17 Promille hat die Steigung. Sie zählt zu den steilsten im südwestdeutschen Raum", erklärt Britz im Schweiße seines Angesichts. Er hat reichlich Kohle in den Feuerkasten geschippt, damit die Lok mit ihrem Dauerschnaufen kraftvoll die Steigung hinaufkommt. Balle schaut derweil mit zusammengekniffenen Augen aus dem Seitenfenster. Während ihm der Fahrtwind um die Nase weht, zieht er an einer Schnur und lässt ein wenig Druck aus dem Kessel - das Dampfross quittiert das mit einem lauten Pfeifen. Aus dem Schornstein quellen dicke Wolken aus Wasserdampf und Rauch - ein traumhaftes Foto-Motiv für Dampflok-Fans.
Seinen Lok-Führerschein hat Balle vor knapp 20 Jahren gemacht. Damals bildete Saarberg Diesellok-Führer aus, "und der Lehrlokführer oder Fahrlehrer war bei uns im Verein und konnte uns da mit einschmuggeln". Die Prüfung nahm das Eisenbahn-Bundesamt ab. Um eine Dampflok zu steuern, braucht man zudem einen Kesselwärter-Schein. "Den hab ich beim Tüv gemacht." Auch Adams würde gerne den Lok-Führerschein machen, aber so einfach wie zu Saarberg-Zeiten ist das nicht mehr. "Die Ausbildung kostet im fünfstelligen Bereich. Und für den Theorie-Teil müsste ich an den Wochenenden in den Harz fahren. Das ist alles teuer und zeitintensiv." Noch mehr, als es das Hobby eh schon ist. "Wir machen fast alle Reparaturen in Eigenarbeit. Da geht während der Woche so mancher Abend drauf - und eigentlich jeder Samstag."
Am Fahrtag ist der 21-Jährige seit neun Uhr früh auf dem Bahnhofsgelände, hat Stangen und Achsen abgeschmiert, Feuer gemacht. "Das funktioniert ähnlich wie bei Omas Kohleofen. Nur dass man bei der Lok als Anzünder keine Holzwolle benutzt, sondern ölige Lappen." Brennen die, kommt Abfallholz dazu, alte Zaunlatten etwa. Ist das Feuer ordentlich entfacht, schippt Adams die erste Kohle drauf. Dabei ist zu beachten: "Die Feuerkiste muss immer von Wasser umspült sein, sonst wird das Metall zu heiß, verformt sich und bekommt Risse. Dann wäre die Lok kaputt", erklärt Britz. Das wäre tragisch, denn am Horizont tauchen bereits dunkle Wolken auf: Spätestens in zwei Jahren muss die Bahnstrecke zwischen Losheim und Merzig saniert werden. Bislang hat die Gemeinde die Strecke unterhalten. In Zeiten knapper Kassen wird das infrage gestellt, sorgt sich Britz. Er hofft, dass es dennoch weitergeht. Denn auch wenn sein Gesicht inzwischen von Öl und Kohlestaub geschwärzt ist - er liebt sein schmutziges Hobby.
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