Tod eines Flüchtlings – Gerücht oder Wahrheit?

Berlin · Seit langem steht das Berliner Landesamt Lageso in den Schlagzeilen. Nun kursiert die Nachricht, ein Flüchtling sei nach tagelangem Warten vor der Behörde gestorben. Sie verbreitet sich rasend schnell im Internet – einen Tag vor dem Treffen der Koalitionsspitzen.

Es ist das Alptraum-Szenario: In Berlin soll ein junger Flüchtling gestorben sein, und wieder spielt dabei das inzwischen bundesweit für Verwaltungsversagen berüchtigte Landesamt für Soziales und Gesundheit (Lageso) eine Rolle. Erst warteten Flüchtlinge tage- und wochenlang in Hitze oder Kälte auf ihre Registrierung. Dann schlugen Heimbetreiber Alarm: Flüchtlinge müssten hungern, weil die Behörde mit den Zahlungen der Lebenshaltungskosten nicht hinterherkam. Nun die Nachricht von einem ersten toten Flüchtling, die aber niemand verifizieren kann.

Bisher gibt es nur den Eintrag eines Helfers bei Facebook . Demnach soll der 24-jährige Syrer tagelang am Lageso gewartet und hohes Fieber bekommen haben. Deshalb habe der Helfer den Flüchtling mit zu sich nach Hause genommen und schließlich einen Krankenwagen gerufen. Auf dem Weg ins Krankenhaus habe der Syrer einen Herzstillstand erlitten. Später löscht der Helfer den Facebook-Eintrag. Am Mittwochnachmittag verbarrikadiert er sich in seiner Wohnung und lässt alle rätseln. Er will nichts mehr sagen. Die Sozialverwaltung fragt viele Kliniken ergebnislos ab. Auch Feuerwehr und Polizei können den Tod eines Flüchtlings nicht bestätigen. Eine Sprecherin des Vereins "Moabit hilft" erklärt, derzeit nicht an den Angaben des Helfers zu zweifeln.

Die Nachricht vom angeblichen Tod des Mannes verbreitete sich im Internet. Ein Zusammenhang zwischen einer langen Wartezeit am Lageso und einer Erkrankung ist bislang weder bewiesen noch bestätigt. Doch das Lageso kommt aus der Negativ-Spirale einfach nicht heraus. Die rot-schwarze Koalition gerät so im Wahljahr immer stärker unter Druck. In der Flüchtlingspolitik läuft ohnehin kaum etwas zusammen, zu groß sind die inhaltlichen Differenzen. Die Berliner CDU verlangt wie die CSU eine Obergrenze, will verstärkt Flüchtlinge aus sicheren Drittstaaten abschieben. Die SPD lehnt dies ab.

Auch in der großen Berliner Politik gibt es weiter Klärungsbedarf in der Asylpolitik. Dabei deutete sich vor dem heutigen Treffen der Parteivorsitzenden Angela Merkel (CDU ), Sigmar Gabriel (SPD ) und Horst Seehofer (CSU ) eine Einigung an. Es geht bei der Sitzung um das lange umstrittene Asylpaket II. Kernpunkt ist die Einrichtung spezieller Aufnahmeeinrichtungen, in denen die Asylanträge bestimmter Schutzsuchender im Schnellverfahren abgewickelt werden. Außerdem ist eine Einschränkung des Familiennachzugs für Menschen mit einem bestimmten Schutzstatus ("subsidiärer Schutz") vorgesehen. Über diesen Punkt hatten die Koalitionäre aber monatelang gestritten. Nun ist ein Kompromiss im Gespräch, mit dem unter anderem Kontingente für den Familiennachzug von Syrern aus dieser Gruppe eingerichtet werden könnten. "Ich bin ganz zuversichtlich, dass wir uns einigen", sagte Gabriel gestern.

Eine Einigung auf Koalitionsebene scheint auch bei der Einstufung nordafrikanischer Staaten als sichere Herkunftsländer möglich. Damit könnten Flüchtlinge aus Marokko, Algerien und Tunesien leichter und schneller abgeschoben werden als bisher. Auch die SPD ist bereit zu diesem Schritt. Allerdings ist für eine entsprechende Gesetzesänderung die Zustimmung des Bundesrates erforderlich. Und dort müssen die Grünen zustimmen, um eine Mehrheit zu erreichen.

Zum Thema:

HintergrundDie Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hat den europäischen Umgang mit der Flüchtlingskrise scharf kritisiert. Die Asylsuchenden sähen sich einer "Schutz-Lotterie" gegenüber, hieß es. Anerkennungsraten von Asylanträgen, Maßnahmen zur Unterbringung und Integration schwanken von EU-Land zu EU-Land. Engstirnige nationale Interessen stünden vernünftigen Lösungen im Weg. kna

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