Saar-Regierungschef im ZDF Tobias Hans bei „Maybrit Illner“: „Wir haben die Lage falsch eingeschätzt“

Berlin/Saarbrücken · Die neue Coronavirus-Variante Omikron verschärft die Situation. Deshalb ist von möglichen weiteren Einschränkungen zum Kampf gegen die Pandemie die Rede. Dennoch spricht der saarländische Ministerpräsident davon, Freiräume für Geimpfte zu erhalten.

Saar-Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) beim Politi-Talk Maybritt Illner.

Saar-Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) beim Politi-Talk Maybritt Illner.

Foto: ZDF/Screenshot Matthias Zimmermann-hgn

Noch unter Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) war angekündigt worden, die epidemische Lage in Deutschland vom Bundestag aufheben zu lassen. Dies bezeichnete der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) in der ZDF-Sendung Maybrit Illner als Fehler: „Wir haben die Lage damals anders eingeschätzt, wir haben sie falsch eingeschätzt.“ Deshalb mahnte der Regierungschef, mit Blick auf die neue Coronavirus-Variante Omikron und was diese anstellen könne: Er halte es für wichtig, „dass wir einen sogenannten Notschutzschalter haben für den Fall, dass diese Variante Überhand nimmt und sich als gefährlicher erweist als die derzeit vorherrschende Delta-Variante. Wir müssen da wachsam sein.“

Was die Entscheidung über ein erweitertes Infektionsschutzgesetz betrifft, gab Hans auf die Frage der Moderatorin zu: „Wir haben ganz ohne Frage Zeit verloren. Wir hätten früher zusammenkommen müssen.“

Einschränkungen auch für Nicht-Geboosterte

Wird es im Saarland auch für jene zu Einschränkungen kommen, die noch keine Auffrischungsimpfung erhalten haben? „Zuerst einmal müssen wir eine klare Botschaft an die Ungeimpften senden: Ihr seid jetzt raus aus dem gesellschaftlichen Leben. Deshalb machen wir konsequent 2-G“ – geimpft und genesen. Zusätzlich gelte dort, wo keine Masken getragen werden, 2-G-Plus, also zusätzlich negativer Corona-Test als Pflicht. „Und wer nicht geboostert ist, kann nicht ohne Test in ein Restaurant oder Fitnessstudio.“ Und: „Wir glauben, dass wir es damit schaffen können, die Welle zu brechen.“

Die Runden der Bundesregierung mit den Länderregierungschefs in der Pandemie, um in diesem Kreis weitere Maßnahmen gegen eine ungebremste Ausbreitung des Virus’ zu beraten, verteidigte Tobias Hans gegen Kritik. Auch wenn diese Treffen keinen Verfassungsrang hätten: Aber diese Zusammenkunft habe auch etwas am Verhalten der Menschen geändert. „Wenn alle Regierungschefs zusammenkommen und sagen, es muss sich eingeschränkt werden, dann führt das alleine schon dazu, dass die Menschen sich ein Stück weit zurücknehmen.“ Kontaktbeschränkungen gelten bis heute als ein Mittel, um die Ausbreitung auszubremsen.

Rüffel der Kanzlerin für Saarland-Modell 

Illner wies auf einen „Rüffel“ im Frühjahr der damaligen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hin, den sich Hans wegen seiner schnellen Öffnungsstrategie im April eingefangen hatte. Und jetzt sei er einer der ersten, die wegen der vielen Infektionen schnell wieder alles zumachten. Illner: „Was sagen Sie den jetzt den Menschen?“

„Wir haben damals das gemacht, was die anderen auch getan haben“, entgegnete er ihr. „Und wir haben damals angefangen, viel zu testen, was heute Standard ist in ganz Deutschland.“ Testgestützte Modelle würden auch helfen, Dunkelziffern bei den Infektionsraten aufzudecken. Aktuell seien es mehr als 400 000 Menschen im Saarland, die pro Woche getestet würden. Er nannte dies einen „absoluten Spitzenwert“. „Damit kann man auch beitragen, dass verborgene Infektionen erkannt werden.“ Darum habe dieses Modell im Saarland immer darauf aufgebaut: „so viel Einschränkungen wie nötig, so viel Freiheit wie möglich“. Dieses Modell kannte also Lockerungen und Einschränkungen – letzteres sei jetzt der Fall.

Er ergänzte: „Wir wollen keine Schulen schließen.“ Hier hatte es wegen der sozialen Auswirkungen auf Kinder während des Lockdowns in der Runde Kritik am Unterricht von zu Hause aus gegeben.

Akzeptanz der Auffrischungsimpfung

Die Akzeptanz im Saarland, was Auffrischungsimpfungen betrifft, sei hoch. Denn das Bundesland nehme nach Angaben des Ministerpräsidenten bundesweit einen Spitzenplatz ein. Der Wert liege momentan bei 23,6 Prozent. „Das zeigt, dass das angenommen wird.“ Auf die Frage der Moderatorin, ob dies auch noch der Fall sei, wenn es womöglich zu einer vierten Impfung im Frühjahr aufgrund der Virusmutation kommen müsse, ging er nicht ein.

Hilfe für die Wirtschaft, keine große Feiern zu Weihnachten

Unter Geimpften große Weihnachtsfeiern schloss Hans aus: „Weihnachten mit 50, 60 Leuten, das wird nicht funktionieren.“ Wenn es so nicht klappe, die Corona-Welle zu brechen, „dann wird es auch nochmal harte Maßnahmen geben müssen“. Dabei hoffe er, dass es nicht wieder Kinder und Jugendliche zuerst trifft. Außerdem denke er an die Menschen, deren wirtschaftliche Existenz auf dem Spiel steht. Denen müsse der Staat helfen. Durch Gespräche mit Gastronomen wisse er, dass es erhebliche Umsatzeinbußen durch 2-G-Plus gebe. Und das greife auch auf den Handel über. Trotz der jetzt geltenden „milderen Mittel“ leide die Wirtschaft.

„Die Impfpflicht wird kommen.“

Impfpflicht ja oder nein? Dazu Tobias Hans: Zu Beginn wäre solch eine Forderung überzogen gewesen. Damals sei davon ausgegangen worden, die Pandemie mit Freiwilligkeit in Schach zu halten.  „Es macht ein fatales Gefühl bei den Bürgern, belogen worden zu sein. [...] Wir haben Vertrauen verloren.“ Deshalb sollte die Debatte darüber wieder sachlich geführt werden. Er spricht sich für eine Freigabe der Abstimmung darüber im Bundestag aus.

Zudem stelle sich ihm die Frage, was mit einer Impfpflicht erreicht werden soll. Dies betreffe zum einen die Impfquote, zum anderen mögliche Sanktionen derer, die sich nicht impfen lassen.  „Es wird nur so gehen wie bei der Masern-Impfung, dass man es mit Bußgeldern belegt.“ Der Ethikrat müsse hinzugezogen werden, bevor eine Entscheidung darüber fällt. Für Hans ist indes klar: „Die Impfpflicht wird kommen.“

Indes wie gelangt man an Ungeimpfte ohne Impfregister? 73,6 Prozent Impfquote im Saarland beweise, dass es funktioniere. So habe das Saarland im Sommer mit mobilen Teams den Impfstoff zu den Bürgern gebracht und so weitere fünf Prozent geimpft.

Hans hatte sich zu Beginn des Polit-Talks an den neuen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach gewandt und ihm zu seinem Amt gratuliert. Der Ministerpräsident darauf: „Ich werde nicht gleich auf ihm rumhacken, auch wenn ein Fehler passiert. Ich glaube, dafür ist die Lage zu ernst.“ Er forderte von seiner Partei in diesem Zusammenhang eine konstruktive Oppositionspolitik im Bundestag. „Aus Sicht der unionsgeführten Bundesländer reichen wir da der neuen Bundesregierung auch die Hand.“ So bringe das neue Infektionsschutzgesetz seitens des Bundes Deutschland weiter, um die Lage in den Griff zu bekommen.

Erneut befassten sich die Teilnehmer am Donnerstagabend, 9. Dezember, eine Stunde mit der Debatte um die Auswirkungen der Pandemie und wie wir sie in den Griff bekommen. Der Titel: „Omikron und Impfpflicht – neuer Minister, neue Sorgen?“

Weitere Gäste der Talkrunde bei Illner waren: der am Mittwoch ins Amt eingeführte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, FDP-Bundesvorstandsmitglied Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Physikerin Viola Priesemann vom Max-Planck-Institut für Dynamik sowie Zeit-Chefkorrespondentin Tina Hildebrandt.

Lauterbach zeigte sich zuversichtlich: „Wir werden den Kampf gegen die Pandemie gewinnen.“ Dafür bräuchte Deutschland aber die dritte Impfung. Darum seien die kommenden Wochen entscheidend. Dazu müssten diese Auffrischungsimpfungen (Booster) möglichst stark vorangebracht werden, bevor die Omikron-Variante kommt – „damit wir noch die Kurve bekommen“. Wahrscheinlich sei man nur mit drei Impfungen vor diesem Virustyp ausreichend geschützt.

Unterdessen hat sich mittlerweile ein erster Fall im Saarland bestätigt. Der Nachweis gelangte bei einem Reiserückkehrer aus Südafrika im Regionalverband Saarbrücken.

  • Maybrit Illners Sendung wird am Freitag, 10. Dezember, um 16 Uhr im TV-Programm Phoenix wiederholt. Sie ist auch in der ZDF-Mediathek abzurufen.
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