Tiefe Gräben, goldene Brücken

Drei Angebote der Geldgeber , vier Gipfeltreffen, etliche Eurogruppen-Sitzungen - das ist die Bilanz der Bemühungen um eine Rettung Griechenlands alleine im Juni. Längst droht der Überblick, wer was fordert oder offeriert, verloren zu gehen. Dass am Sonntag ein Referendum über einen Vorschlag der Geldgeber stattfindet, der längst nicht mehr aktuell ist, gehört zur ganzen Wahrheit dazu. Wer will jetzt eigentlich was von wem? Wie nah sind sich Geldgeber und Griechen wirklich? Ein Abgleich des letzten Programms der Geber vom 25. und 27. Juni mit dem jüngsten Vorschlag von Athens Premier Alexis Tsipras , der am Mittwoch in Brüssel einging. Frisches Geld: Die Geldgeber haben ein drittes Hilfsprogramm angeboten. Umfang: 15,5 Milliarden Euro für drei Jahre. Athen will 29 Milliarden Euro für zwei Jahre aus dem ESM-Rettungsschirm. Die Mittel sollen ausschließlich zur Bezahlung der Raten von IWF und EZB genutzt werden. Bewertung: schwierig. Der ESM verfügt aber über Gelder zur Bankenrettung. Dieser Umweg scheint möglich. Hellas wäre in der Lage, seine klammen Banken zu sanieren und die Raten bezahlen zu können. Strukturhilfen: Die Kommission bietet zusätzlich zur normalen Förderung rund 35 Milliarden aus dem 315-Milliarden-Investitionspaket der Kommission. Bewertung: Augenwischerei. Das Geld stünde Athen sowieso zu. Aber Athen kommt kaum an das Geld, weil die Eigenmittel für eine Kofinanzierung fehlen. Mehrwertsteuer : Inzwischen sind die Geldgeber bereit, eine dreistufige Mehrwertsteuer (6, 13 und 23 Prozent) zu akzeptieren. Tsipras bietet jetzt an: Die umstrittene Steuerbefreiung für die 180 Ägäis-Inseln (deren Umsatzsteuersätze liegen um 30 Prozent unter denen im übrigen Land, um die teuren Transportkosten auszugleichen) soll durch eine Neuregelung ersetzt werden. Die zunächst geforderte Erhöhung der Mehrwertsteuer für Restaurants, Hotels und Tavernen auf 23 Prozent haben die Geldgeber fallen gelassen. Bewertung: sinnvoll. Zusätzliche Preiserhöhungen im Tourismussektor sind Gift für die Branche. Die umstrittene Steuer-Vorauszahlung für Geschäftsleute soll schrittweise auf 100 Prozent erhöht, die Steuervorteile für Bauern bis Ende 2017 abgebaut werden. Die Geldgeber sind damit einverstanden. Renten: Die Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 soll laut Tsipras bis Oktober 2015 gesetzlich verankert werden. Die Geldgeber fordern dies schon im Juli, andernfalls werde der IWF keine Gelder bereitstellen. Sonderrenten sollen bis 2019 abgebaut werden. Sonstige Zusatzrenten würden ab Oktober 2015 bis Dezember 2017 abgebaut werden. Die Geldgeber fordern auch da einen Beginn bereits im Juli. Bewertung: Athen hat 2010 zum ersten Mal die Erhöhung des Renteneintrittsalters versprochen. Umgesetzt wurde es nicht. Militärhaushalt: Die Geldgeber erwarten, dass der 4,27 Milliarden umfassende Jahresetat (Stand: 2013) sofort um 400 Millionen gekürzt wird. Tsipras bot am Mittwoch an, 2016 etwa 200 Millionen, 2017 dann 400 Millionen zu kürzen. Bewertung: Dass ausgerechnet eine linke Regierung sich weigert, den Militäretat herunterzufahren, verstehen nur wenige in Europa. Der Grund ist aber klar: Man hat sich einen Koalitionspartner von rechts geholt. Arbeitsmarkt: Die Geldgeber fordern eine strikte Koppelung der Löhne und Einkommen an die Produktivität, das System der Tarifverhandlungen auszubauen, den Arbeitnehmerschutz abzubauen und den Mindestlohn nicht anzuheben. Die Athener Regierung sagte inzwischen zu, alle diese Auflagen im Herbst 2015 gesetzlich zu verankern. Bewertung: Alle diese Maßnahmen sind überfällig und zig Mal zugesagt woden. Privatisierungen: Die Privatisierung öffentlicher Betriebe (Teile der Elektrizitätsgesellschaften, Flughäfen) sollen vorangetrieben werden. Premier Tsipras hat sich dazu bereiterklärt, fordert aber eine Beteiligung der öffentlichen Hand. Bewertung: Zahlreiche Privatisierungen hätten längst erfolgt sein können. Ursprünglich sollten bis 2015 50 Milliarden Euro eingenommen werden, bisher waren es ganze zwei Milliarden. Primärüberschuss: Der Haushalt soll im laufenden Jahr einen Überschuss von einem Prozent erreichen (ohne Schuldendienst) und in den kommenden Jahren schrittweise um jeweils ein weiteres Prozent zulegen. Die Geldgeber haben zugestimmt. Investitionen: Neu im Tsipras-Papier vom Mittwoch ist die Zusage, mit sofortiger Wirkung die Anforderungen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) für effizientes Wirtschaften einzuführen. Unternehmen sollen an nur einer Verwaltungsstelle alle nötigen Genehmigungen erhalten können. Bauwirtschaft, Agrarsektor, Handel, Medien werden schnell für den freien Wettbewerb geöffnet. Bewertung: Wenn Athen sich daran hält, wäre das ein echter Fortschritt, um Investoren anzulocken. Korruption : Ebenfalls neu ist die feste Zusage, die OECD-Standards zum Kampf gegen Korruption mit sofortiger Wirkung zu übernehmen und entsprechende Gesetze zu erlassen. Dies entspricht einer zentralen Forderung der Geldgeber . Bewertung: überfällig. Was fehlt noch? Die Geldgeber fordern mehr Vorschläge zu Einsparungen im öffentlichen Bereich. Bisher würden die stattlichen Mehreinnahmen vorrangig durch Steuer- und Abgabenanhebungen erreicht, ohne dass der Staat weniger ausgibt . Athen wiederum fordert eine Umstrukturierung der Schulden, damit es nicht in den nächsten schweren Jahren von ständig neuen Raten für IWF und EZB erdrückt wird. Die Rückzahlung der Kredite aus dem Euro-Raum beginnt ohnehin erst nach 2020. Um das zu erreichen, ist ein drittes Hilfspaket nötig, für das es bisher keine Mehrheit im Euro-Raum und in den nationalen Parlamenten gibt - auch wenn es bereits angeboten wurde. Zu beiden Forderungen hat die jeweils andere Seite kein Angebot gemacht.

 Der Kanal von Korinth, der die Halbinsel Peloponnes vom griechischen Festland trennt, ist ein spektakulärer Anblick – und auch ein Sinnbild für die Griechenland-Krise. Die Verwerfungen zwischen Athen und den Geldgebern sind groß. Dennoch bleibt die Hoffnung, Brücken über die Gräben zu schlagen. Foto: Fotolia

Der Kanal von Korinth, der die Halbinsel Peloponnes vom griechischen Festland trennt, ist ein spektakulärer Anblick – und auch ein Sinnbild für die Griechenland-Krise. Die Verwerfungen zwischen Athen und den Geldgebern sind groß. Dennoch bleibt die Hoffnung, Brücken über die Gräben zu schlagen. Foto: Fotolia

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Drei Angebote der Geldgeber , vier Gipfeltreffen, etliche Eurogruppen-Sitzungen - das ist die Bilanz der Bemühungen um eine Rettung Griechenlands alleine im Juni. Längst droht der Überblick, wer was fordert oder offeriert, verloren zu gehen. Dass am Sonntag ein Referendum über einen Vorschlag der Geldgeber stattfindet, der längst nicht mehr aktuell ist, gehört zur ganzen Wahrheit dazu. Wer will jetzt eigentlich was von wem? Wie nah sind sich Geldgeber und Griechen wirklich? Ein Abgleich des letzten Programms der Geber vom 25. und 27. Juni mit dem jüngsten Vorschlag von Athens Premier Alexis Tsipras , der am Mittwoch in Brüssel einging.

Frisches Geld: Die Geldgeber haben ein drittes Hilfsprogramm angeboten. Umfang: 15,5 Milliarden Euro für drei Jahre. Athen will 29 Milliarden Euro für zwei Jahre aus dem ESM-Rettungsschirm. Die Mittel sollen ausschließlich zur Bezahlung der Raten von IWF und EZB genutzt werden.

Bewertung: schwierig. Der ESM verfügt aber über Gelder zur Bankenrettung. Dieser Umweg scheint möglich. Hellas wäre in der Lage, seine klammen Banken zu sanieren und die Raten bezahlen zu können.

Strukturhilfen: Die Kommission bietet zusätzlich zur normalen Förderung rund 35 Milliarden aus dem 315-Milliarden-Investitionspaket der Kommission.

Bewertung: Augenwischerei. Das Geld stünde Athen sowieso zu. Aber Athen kommt kaum an das Geld, weil die Eigenmittel für eine Kofinanzierung fehlen.

Mehrwertsteuer : Inzwischen sind die Geldgeber bereit, eine dreistufige Mehrwertsteuer (6, 13 und 23 Prozent) zu akzeptieren. Tsipras bietet jetzt an: Die umstrittene Steuerbefreiung für die 180 Ägäis-Inseln (deren Umsatzsteuersätze liegen um 30 Prozent unter denen im übrigen Land, um die teuren Transportkosten auszugleichen) soll durch eine Neuregelung ersetzt werden. Die zunächst geforderte Erhöhung der Mehrwertsteuer für Restaurants, Hotels und Tavernen auf 23 Prozent haben die Geldgeber fallen gelassen.

Bewertung: sinnvoll. Zusätzliche Preiserhöhungen im Tourismussektor sind Gift für die Branche.

Die umstrittene Steuer-Vorauszahlung für Geschäftsleute soll schrittweise auf 100 Prozent erhöht, die Steuervorteile für Bauern bis Ende 2017 abgebaut werden. Die Geldgeber sind damit einverstanden.

Renten: Die Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 soll laut Tsipras bis Oktober 2015 gesetzlich verankert werden. Die Geldgeber fordern dies schon im Juli, andernfalls werde der IWF keine Gelder bereitstellen. Sonderrenten sollen bis 2019 abgebaut werden. Sonstige Zusatzrenten würden ab Oktober 2015 bis Dezember 2017 abgebaut werden. Die Geldgeber fordern auch da einen Beginn bereits im Juli.

Bewertung: Athen hat 2010 zum ersten Mal die Erhöhung des Renteneintrittsalters versprochen. Umgesetzt wurde es nicht.

Militärhaushalt: Die Geldgeber erwarten, dass der 4,27 Milliarden umfassende Jahresetat (Stand: 2013) sofort um 400 Millionen gekürzt wird. Tsipras bot am Mittwoch an, 2016 etwa 200 Millionen, 2017 dann 400 Millionen zu kürzen.

Bewertung: Dass ausgerechnet eine linke Regierung sich weigert, den Militäretat herunterzufahren, verstehen nur wenige in Europa. Der Grund ist aber klar: Man hat sich einen Koalitionspartner von rechts geholt.

Arbeitsmarkt: Die Geldgeber fordern eine strikte Koppelung der Löhne und Einkommen an die Produktivität, das System der Tarifverhandlungen auszubauen, den Arbeitnehmerschutz abzubauen und den Mindestlohn nicht anzuheben. Die Athener Regierung sagte inzwischen zu, alle diese Auflagen im Herbst 2015 gesetzlich zu verankern.

Bewertung: Alle diese Maßnahmen sind überfällig und zig Mal zugesagt woden.

Privatisierungen: Die Privatisierung öffentlicher Betriebe (Teile der Elektrizitätsgesellschaften, Flughäfen) sollen vorangetrieben werden. Premier Tsipras hat sich dazu bereiterklärt, fordert aber eine Beteiligung der öffentlichen Hand.

Bewertung: Zahlreiche Privatisierungen hätten längst erfolgt sein können. Ursprünglich sollten bis 2015 50 Milliarden Euro eingenommen werden, bisher waren es ganze zwei Milliarden.

Primärüberschuss: Der Haushalt soll im laufenden Jahr einen Überschuss von einem Prozent erreichen (ohne Schuldendienst) und in den kommenden Jahren schrittweise um jeweils ein weiteres Prozent zulegen. Die Geldgeber haben zugestimmt.

Investitionen: Neu im Tsipras-Papier vom Mittwoch ist die Zusage, mit sofortiger Wirkung die Anforderungen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) für effizientes Wirtschaften einzuführen. Unternehmen sollen an nur einer Verwaltungsstelle alle nötigen Genehmigungen erhalten können. Bauwirtschaft, Agrarsektor, Handel, Medien werden schnell für den freien Wettbewerb geöffnet.

Bewertung: Wenn Athen sich daran hält, wäre das ein echter Fortschritt, um Investoren anzulocken.

Korruption : Ebenfalls neu ist die feste Zusage, die OECD-Standards zum Kampf gegen Korruption mit sofortiger Wirkung zu übernehmen und entsprechende Gesetze zu erlassen. Dies entspricht einer zentralen Forderung der Geldgeber .

Bewertung: überfällig.

Was fehlt noch?

Die Geldgeber fordern mehr Vorschläge zu Einsparungen im öffentlichen Bereich. Bisher würden die stattlichen Mehreinnahmen vorrangig durch Steuer- und Abgabenanhebungen erreicht, ohne dass der Staat weniger ausgibt . Athen wiederum fordert eine Umstrukturierung der Schulden, damit es nicht in den nächsten schweren Jahren von ständig neuen Raten für IWF und EZB erdrückt wird. Die Rückzahlung der Kredite aus dem Euro-Raum beginnt ohnehin erst nach 2020. Um das zu erreichen, ist ein drittes Hilfspaket nötig, für das es bisher keine Mehrheit im Euro-Raum und in den nationalen Parlamenten gibt - auch wenn es bereits angeboten wurde. Zu beiden Forderungen hat die jeweils andere Seite kein Angebot gemacht.

Zum Thema:

Rückschau24. Juni: Ein Treffen der Eurogruppe, das den Durchbruch in der Griechenland-Krise bringen soll, wird nach 90 Minuten ergebnislos vertagt. 27. Juni: Alexis Tsipras kündigt ein Referendum über das Sparpaket an und wirbt für ein negatives Votum. Die verärgerten Euro-Finanzminister erklären die Verhandlungen für gescheitert. 29. Juni: Tsipras bittet die EU vergeblich, das am Folgetag auslaufende Hilfsprogramm "um ein paar Tage" zu verlängern. dpa

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