Tausende wollen gegen Erdogan protestieren

Köln/Istanbul · Nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus Holland, Frankreich, Österreich und der Schweiz wollen tausende Menschen nach Köln kommen, um dem türkischen Ministerpräsidenten die Stirn zu bieten.

Die Protestwelle gegen den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan erreicht Deutschland. Die Alevitische Gemeinde plant für Samstag zu Erdogans Auftritt in Köln eine Kundgebung mit Zehntausenden Teilnehmern. Der Regierungschef stand zuletzt unter anderem wegen seiner Reaktionen auf das Grubenunglück in Soma und des gewaltsamen Vorgehens der Sicherheitskräfte gegen Demonstranten stark in der Kritik.

Ein Sprecher der Alevitischen Gemeinde rechnet mit mehr als 30 000 Menschen bei der Gegenveranstaltung. Die Teilnehmer kämen nicht nur aus Deutschland, sondern auch aus Holland, Frankreich, Österreich und der Schweiz, um friedlich zu demonstrieren. Die Organisatoren des Erdogan-Auftritts - die Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) - erwartet eine Besucherzahl in derselben Größenordnung. Die Polizei rüstet sich für einen Großeinsatz.

Wegen der angespannten Lage in der Türkei plädieren mehrere deutsche Politiker für eine Absage des Auftritts in Köln. Viele sehen diesen als Wahlkampfveranstaltung an. Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Lindner sagte der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung", autoritäre Politiker im Wahlkampf seien "nicht willkommen". Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach forderte in der "Passauer Neuen Presse", die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei abzubrechen oder auszusetzen.

Die türkische Regierung sieht keinen Grund für eine Absage des Besuches. Im Ministerpräsidentenamt hieß es gestern, Erdogan werde wie geplant nach Deutschland reisen. Seine Partei AKP bestreitet, dass es sich bei dem Auftritt um Wahlkampf handelt. Der Regierungschef will offiziell zum zehnjährigen UETD-Bestehen reden. Kritiker gehen jedoch davon aus, dass Erdogan türkischer Präsident werden und in Köln um Stimmen werben will. An der Präsidentenwahl am 10. August dürfen erstmals auch die im Ausland lebenden Türken teilnehmen.

Der "Spiegel"-Korrespondent Hasnain Kazim sieht sich indessen nach seiner regierungskritischen Berichterstattung über das Grubenunglück Morddrohungen ausgesetzt. Er habe inzwischen rund 10 000 E-Mails, Tweets und Facebook-Nachrichten erhalten, sagte er. Darunter seien Drohungen wie "Wenn wir Dich auf der Straße sehen, schneiden wir Dir die Kehle durch". Auf Twitter hatte unter dem Hashtag #ScherDichZumTeufelDerSpiegel eine Kampagne gegen ihn und das Magazin begonnen. Kazim hatte einen Bergmann nach dem Unglück in Soma in einer Überschrift bei "Spiegel Online" vor einer Woche mit den Worten zitiert: "Scher Dich zum Teufel, Erdogan!" Regierungsanhänger und regierungsnahe Medien erweckten danach den Eindruck, "Der Spiegel" selber wünsche Erdogan zum Teufel.

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