Stürmischer Applaus für Gauck

Hamburg · Unkompliziert und volksnah tritt Joachim Gauck beim Evangelischen Kirchentag auf. Eher als Pastor statt als Bundespräsident. Das kommt gut an. Gauck selbst ist tief bewegt von seiner Begegnung mit Samuel Koch.

"Welche Rolle spielt der Glaube für Dich?", fragt der Moderator seinen Gast Samuel Koch, jenen jungen Mann, der bei "Wetten, dass . . ?" schwer verunglückte und seitdem gelähmt ist. Der 25-Jährige im Rollstuhl hält kurz inne und sagt dann, Glaube sei für ihn so etwas wie der "rettende Anker". Bundespräsident Joachim Gauck greift zum Mikrofon. "Ich möchte diesen Satz nicht kommentieren, aber ich möchte Gott danken, dass ich ihn höre." Beifall brandet auf in der Hamburger Messehalle B5, in der 7000 Besucher des Evangelischen Kirchentags eine Diskussionsrunde über das Thema "Starke Gesellschaft" verfolgen.

Es ist ein emotionaler Moment, in dem nicht der Bundespräsident, sondern der tiefgläubige Joachim Gauck spricht, der so viele Jahre selbst Pastor einer kleinen evangelischen Gemeinde in Mecklenburg und schon in den 80er Jahren in der Kirchentagsarbeit aktiv war. Und er hat sichtlich Spaß am Kirchentag, an dem er sich weniger staatstragend, dafür unkompliziert und volksnah gibt. Gauck trägt den blauen Kirchentagsschal über seinem grauen Sakko, er winkt, geht auf die Menschen zu. Das kommt an beim Kirchenvolk, und so wird Gauck bei der Diskussionsrunde in der übervollen Messehalle geradezu stürmisch beklatscht. Es geht um Inklusion, ein eher sperriges Wort dafür, dass Behinderte und Nichtbehinderte zusammenleben sollten, aufeinanderzugehen, auch wenn es oft schwerfällt.

Gauck macht sich stark für Behinderte, für den Abbau von Barrieren, für die "Gleichwertigkeit des Unterschiedlichen". Und bezeichnet Menschen wie den Paralympics-Sieger und Pfarrer Rainer Schmidt, der ebenfalls mitdiskutiert, als Vorbild. Das gilt auch für Samuel Koch, der in einem Spezialrollstuhl neben Gauck sitzt, mit Headset am Mund, die Arme auf den Lehnen. Der - statt mit seinem schweren Schicksal zu hadern - Schauspiel studiert. "Und genau das braucht unser Land", sagt Gauck.

Samuel Koch sorgt für Lacher im Publikum, als er berichtet, wie er sich mit Schmidt, dem die Unterarme fehlen, begrüßt hat: "Wir haben komisch gekuschelt irgendwie". Später kalauert er: "Wo war ich sitzen geblieben?" Gauck zeigt sich beeindruckt von der Begegnung mit Koch. "Ich habe mich gefragt: Hättest du dich mit diesem Menschen auch unterhalten, dich für ihn interessiert, wenn er ein junger gut aussehender Springinsfeld wäre? Ich weiß es nicht", bekennt der Bundespräsident. Jetzt sei ihm das Gespräch mit Koch "unglaublich wichtig".

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