"Strukturdebatte bringt nicht mehr Qualität"Saar-Gymnasiasten punkten in Deutsch

Frau Ministerin, schaut man sich die Ergebnisse des neuen Tests an, dann könnte man meinen, die Länder haben zu wenig aus dem Pisa-Debakel gelernt.Schavan: Die Bildungsforscher weisen deutlich darauf hin, dass seit der ersten Pisa-Studie 2001 die Qualität an den Schulen besser geworden ist. Das ist eine gute Nachricht

 Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) warnt vor unnötigen Strukturdebatten. Foto: dpa

Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) warnt vor unnötigen Strukturdebatten. Foto: dpa

Frau Ministerin, schaut man sich die Ergebnisse des neuen Tests an, dann könnte man meinen, die Länder haben zu wenig aus dem Pisa-Debakel gelernt.

Schavan: Die Bildungsforscher weisen deutlich darauf hin, dass seit der ersten Pisa-Studie 2001 die Qualität an den Schulen besser geworden ist. Das ist eine gute Nachricht. Zugleich zeigt der Ländervergleich große Unterschiede zwischen Nord und Süd. Die Spitzengruppe liegt über ein Schuljahr vor den Schlusslichtern. Da fragen sich Eltern in Bremen oder Brandenburg natürlich, warum sich das nicht geändert hat, denn ihre Kinder sind bestimmt nicht dümmer als die in anderen Teilen der Republik.

Wie erklären Sie sich denn, dass der Süden der Republik im Leistungsvergleich erneut vorn liegt?

Schavan: Der Süden entwickelt sein Bildungssystem kontinuierlich weiter. Dort wird in Unterrichtsqualität und Lehrerausbildung investiert. Es zeigt sich am Ländervergleich, dass konkrete Verbesserung der entscheidende Schlüssel für gute Leistung ist. Schulstrukturdebatten, wie sie in manchen Ländern geführt werden, helfen dagegen nicht weiter. Sie bringen zwar Unruhe in die Schulen, nicht aber mehr Qualität.

Was erwarten Sie jetzt von den Ländern?

Schavan: Ich erwarte von den Ländern die konsequente Einhaltung der vereinbarten Bildungsstandards. Der Wettbewerb der Länder wird dann dazu führen, dass sich die Unterrichtsergebnisse weiter verbessern. Begabten- und Benachteiligtenförderung gehören dabei zusammen. Eine gerechte Bildungspolitik muss also auch darauf abzielen, Schüler gezielt zu fördern, die sich schwer tun.

Nun muss überall gespart werden. Fürchten Sie, dass die Länderfinanzminister auch bei der Bildung zulangen werden?

Schavan: Bund und Länder haben sich darauf geeinigt, dass zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Bildung und Forschung ausgegeben werden sollen. Dieses Ziel verbietet den Zugriff der Länderfinanzminister auf die Bildungsbudgets. Der Bund steht zu diesem Ziel und wird im Laufe dieser Legislaturperiode zwölf Milliarden Euro mehr in Bildung und Forschung investieren. Und die Landtagswahlen der letzten Jahre zeigen, dass die Bürgerinnen und Bürger sehr genau darauf schauen, welchen Stellenwert die Bildungspolitik in ihrer Landesregierung hat.

Saarbrücken. Das Saarland zählt beim Leistungsstand seiner Gymnasiasten in Deutsch und Englisch zur Spitzengruppe der Bundesländer. Dagegen schneiden Real- und Gesamtschüler deutlich schlechter ab. Dies zeigt ein Länder-Schulleistungsvergleich, über den die SZ gestern bereits in Auszügen berichtet hatte. Die Studie überprüft die Leistung von Neuntklässlern in Deutsch und Englisch (erste Fremdsprache).

Bildungsminister Klaus Kessler (Grüne) sagte der SZ zu den Ergebnissen der Studie, er sehe sich mit den Reformvorhaben "auf dem richtigen Weg". Dies gelte nicht nur für eine stärkere Verzahnung von Kindergarten und Grundschule, sondern auch für die angestrebte Verlängerung der Grundschulzeit auf fünf Jahre und die Schaffung einer Gemeinschaftsschule. Mit einer neuen Schulstruktur sollen die Bildungschancen eines Schülers nicht mehr so stark von seiner sozialen Herkunft abhängen. Hier liegt das Saarland im Bildungsvergleich nach Kesslers Angaben im Mittelfeld.

Bei der deutschen Rechtschreibung teilen sich Gymnasien aus dem Saarland mit Bayern den Spitzenplatz, beim Hör- und Leseverstehen belegen sie die Plätze 2 und 3. In Englisch liegen die Gymnasiasten bei Lese- und Hörverständnis bundesweit jeweils auf Platz 4.

Die Leistung von Real- und Gesamtschülern wurde in den gestern veröffentlichten Daten nicht gesondert ausgewiesen. Weil das Saarland im schulformübergreifenden Vergleich - mit Ausnahme der Rechtschreibung - jedoch nur im Mittelfeld oder unteren Drittel landet, bedeutet dies, dass Real- und Gesamtschüler schlecht abgeschnitten haben müssen.

Aus dem schwachen Englisch-Ergebnis will Kessler Konsequenzen für die Unterrichtsgestaltung ziehen. Die Lehrer sollten den Unterricht verstärkt in der Fremdsprache halten und "weniger deutsch reden", sagte er. Die Saar-SPD forderte einen Ausbau frühkindlicher Bildung, kleinere Klassen und mehr "echte" Ganztagsschulen. Die FDP erklärte: "Die Schulvergleichsstudie beweist erneut, dass uns Ideologie-gefilterte Bildungspolitik nicht weiterbringt." kir

 Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) warnt vor unnötigen Strukturdebatten. Foto: dpa

Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) warnt vor unnötigen Strukturdebatten. Foto: dpa

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