Streit um Kondome und Macht

Gehorsam wird beim Malteserorden groß geschrieben. Rebellion duldet der katholische Ritterorden nicht. Doch was derzeit in der Führungsetage los ist, ist für den Orden mit seiner fast 1000-jährigen Geschichte und seinen weltweiten Hilfsorganisationen ein Skandal. Der Streit hat sogar seinen Weg bis zu Papst Franziskus gefunden. Dessen konservative Gegner versuchen offenbar, sich auch mit Hilfe der Führungsspitze des Ordens in Stellung zu bringen. Der Aufruhr nahm seinen Anfang mit der Entlassung des Großkanzlers der Malteser, des Deutschen Albrecht von Boeselager. Der Freiherr, Sohn des NS-Widerstandskämpfers und Mitgründer des Malteser Hilfsdienstes Philipp von Boeselager, war von 1989 bis 2014 für die humanitären Aktivitäten zuständig. Boeselager wurde offenbar unter anderem ein jahrelang zurückliegender Kondomstreit zum Verhängnis. Die Hilfsorganisation des Ordens hatte in Myanmar Kondome verteilt, obwohl die katholische Kirche Verhütungsmittel ablehnt. Im Dezember wurde Boeselager des Amtes enthoben, seitdem kämpft er gegen seine Entlassung. Der Adelige will sich nicht als Galionsfigur der Kondomverteiler sehen. Es sei "absurd" anzunehmen, dass er sich gegen die Familienlehre der Kirche stelle, teilte er mit. Viele halten es allerdings für "Kokolores", dass der Kondomstreit der wirkliche Grund für die Entlassung war.

Fest steht, dass ordentlich Zündstoff in der Sache liegt. Der oberste Chef der Malteser, Großmeister Matthew Festing, macht aus seiner Empörung über Boeselager keinen Hehl. Es sei für "jedes Mitglied des Ordens eine Schande", sich gegen das Kommando des Großmeisters zu stellen, hieß es in einer Erklärung. Doch der Deutsche gibt nicht auf. Diese Woche wurde bekannt, dass er bei einem Ordenstribunal Widerspruch gegen die Entlassung eingelegt hat. Um die wahren Hintergründe der Entlassung zu erfahren, hat der Papst sogar eine vatikanische Untersuchungskommission eingesetzt. Das aber ließ die Lage eskalieren. In einer Mitteilung des Ordens heißt es: Angesichts der "rechtlichen Irrelevanz" der Kommission habe der souveräne Orden beschlossen, nicht mit ihr zusammenzuarbeiten. Die Verweigerung der Zusammenarbeit mit dem Vatikan gilt als unerhörter Vorgang, weil die Malteser als katholischer Orden organisiert sind, deren Führungsriege Gelübde wie die Pflicht zum Gehorsam ableisten muss. Der Streit steht nicht zuletzt für die stärker werdende Opposition gegen Franziskus und dessen Modernisierungskurs. Denn in die Debatte ist der konservative US-Kardinal Raymond Burke verstrickt, einer der heftigsten Kritiker von Franziskus. Er soll bei der Entlassung von Boeselager dabei gewesen sein und eine gewisse Rolle gespielt haben. Dass Burke kein Freund des Papstes ist, ist bekannt. Franziskus hatte den Amerikaner 2014 vom wichtigen Amt des Leiters des obersten Gerichtshofs entfernt. "Um andernorts weniger Schaden anzurichten", wie es in Vatikankreisen heißt. Burke gehört auch zu jenen vier Kardinälen, die einen öffentlichen Brief an Franziskus geschrieben hatten, um vom Oberhaupt der Katholiken mehr Aufklärung über dessen Familienschreiben "Amoris Laetitia" zu verlangen - dies war als noch nie da gewesener Affront gegen den Pontifex gewertet worden.

Meinung:

Orden spielt mit seiner Zukunft

Von SZ-Mitarbeiter Julius Müller-Meiningen

Im katholischen und für sein Traditionsbewusstsein bekannten Malteser-Orden gibt es Streit. Bislang führte der Bund ein einflussreiches Schattendasein, sein weltweites karitatives Hilfsnetz ist beeindruckend groß. Inzwischen sorgen die inneren Grabenkämpfe für internationale Aufmerksamkeit. Man hat den Eindruck, der Orden soll von seinem Führungspersonal in eine Speerspitze für die Verteidigung der katholischen Doktrin umgebaut werden. Der Führungsstreit zeigt, mit welchen harten Bandagen heute in der katholischen Kirche gekämpft wird. Franziskus will die moralische Rigidität gegen praktische Flexibilität austauschen. Das passt vielen Konservativen nicht. Dass der Malteser-Orden trotz seiner Stellung als souveränes Völkerrechtssubjekt nun sogar eine Zusammenarbeit mit dem Vatikan ausschließt, spricht Bände. Die Frage ist, welche Zukunft ein Orden hat, wenn er den Papst nicht als höchste Instanz anerkennt.

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