Streit um Etat eskaliert in Brüssel

Brüssel · Neuer Ärger um die europäischen Finanzen: Ein Kompromiss zu den milliardenschweren EU-Ausgaben lässt weiter auf sich warten. Falls Mitgliedstaaten und Europaparlament keinen Deal finden, drohen Notbudgets.

Elf Stunden haben sie verhandelt, bis tief in die Nacht hinein. Doch EU-Staaten und das Europaparlament scheiterten damit, sich fristgerecht auf einen Haushalt für das kommende Jahr zu einigen. Damit musste das Budgetverfahren gestern neu gestartet werden. Gibt es bis Jahresende keine Einigung, muss die EU 2015 per Nothaushalt arbeiten - Kommunen, Firmen, Studenten oder Flüchtlingsorganisationen bekommen dann womöglich kein oder weniger Geld. Die Frist für eine Einigung war am Montagabend punkt Mitternacht abgelaufen. Die EU-Kommission kündigte gestern an, "in den kommenden Tagen" einen neuen Budgetentwurf vorzulegen, der dann neu verhandelt werden muss. Ohne Einigung stünde 2015 pro Monat nur ein Zwölftel des laufenden Budgets für 2014 zur Verfügung. Da die EU ohnehin schon auf einem Berg von offenen Rechnungen von weit über 20 Milliarden Euro sitzt, drohen weitere Kürzungen bei den laufenden Ausgaben.

Die Positionen im Etatentwurf 2015 lagen nach Parlamentsangaben zuletzt nur noch rund eine Milliarde Euro auseinander. Bei den Zahlungen habe das Parlament seine Forderung um fünf Milliarden Euro auf 141,3 Milliarden Euro verringert, sagte die deutsche Haushaltsberichterstatterin Monika Hohlmeier (CSU ). Die Mitgliedstaaten seien aber bei ihrer Forderung von 140 Milliarden Euro geblieben. Knackpunkt seien erneut Nachtragshaushalte für 2014 gewesen. Die EU-Kommission hatte vorgeschlagen, bestimmte Ausgaben für strukturschwache Gebiete und regionale Wachstumsförderung unter außerplanmäßigen Ausgaben zu erfassen. Das lehnten aber Nettozahler wie Deutschland ab, weil sie fürchten, dass die Notreserve dann dauerhaft Teil des regulären EU-Haushaltes wird. Als Kompromiss wurde von den EU-Ländern der Betrag, der für die Bezahlung von offenen Rechnungen in der Notreserve verwendet werden könnte, von vier auf zwei Milliarden Euro gesenkt. Das lehnte das Parlament ab. Es verweist darauf, dass es eigentlich genug Geld gebe, da die EU unerwartet fünf Milliarden Euro aus Strafzahlungen zusätzlich eingenommen habe.

Ärger droht auch Jean-Claude Juncker. Nach Enthüllungen zu umstrittenen Steuersparmodellen in Luxemburg muss sich der Neu-Kommissionschef kommende Woche einem Misstrauensantrag im Europaparlament stellen. EU-Gegner sammelten die nötigen 76 Unterschriften in der Volksvertretung. Dem Antrag werde keine Chance eingeräumt, da die großen Fraktionen hinter dem konservativen Juncker stünden.

Meinung:

Die EU braucht Verlässlichkeit

Von SZ-KorrespondentDetlef Drewes

Dass Abgeordnete, Minister und Kommission zusammensitzen und jeden Euro mehrmals umdrehen, hat mit solider Haushaltsführung wenig zu tun. Man hat in der Vergangenheit die Chance verpasst, die EU vernünftig auszustatten. Das Kriterium für den Etat sind nicht die Aufgaben oder die für notwendig erachteten Ausgaben, sondern die Mitgliedsbeiträge, die die Staaten bereit sind zu zahlen. Das führt zu Defiziten. Die Union braucht aber genau das, was sie von den Ländern fordert: Entweder einen verlässlichen Etat oder die Selbstdisziplin, ihre Finanzzusagen zu beschränken.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort