Streit um die Maut endet wohl vor Gericht

Brüssel · Die Pkw-Maut bringt der Bundesregierung weiter viel Ärger. Nach Meinung der EU-Kommission verstößt das Ganze gegen geltendes Recht. Eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof wird immer wahrscheinlicher.

In Berlin hatte man den blauen Brief aus Brüssel wohl schon erwartet. Dass die EU-Kommission Vorbehalte gegenüber den Plänen von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU ) hat, machte sie bereits im Juni vergangenen Jahres deutlich. Zeitgleich mit der Einführung der Maut , die für alle Autofahrer auf deutschen Autobahnen gelten soll, eine Kfz-Steuersenkung für Einheimische umzusetzen, die exakt den Kosten der neuen Straßengebühr entspricht - daran hatte die zuständige EU-Kommissarin Violeta Bulc schon damals "erhebliche Zweifel" geäußert. Nun folgte ein zweiter Brief - diesmal mit einem Ultimatum: Deutschland bekommt zwei Monate Zeit, die Gesetzgebung so anzupassen, dass ausländische Fahrer nicht mehr diskriminiert werden.

Dobrindt hatte die Umsetzung der Maut bereits nach dem ersten Brief aus Brüssel vorerst eingestellt, machte aber zugleich deutlich, dass er nicht vorhabe, auf die Änderungswünsche der Kommission einzugehen. Das könne sie "knicken", hatte der Minister in überraschender Deutlichkeit formuliert. Der CSU-Politiker setzt bewusst auf Konfrontation. Er erhofft sich eine schnelle Klarstellung vom Europäischen Gerichtshof. "Wir scheuen nicht den Weg vor den EuGH", betonte er immer wieder. Doch ein Prozess in Luxemburg könnte Jahre in Anspruch nehmen. Zugleich schwimmen Dobrindt die Felle davon. Denn bislang konnte er auf eine ganz ähnliche Regelung in Großbritannien verweisen. Dort wurde bereits 2014 eine Maut für Lkw eingeführt. Und einheimische Brummifahrer werden - wie in Deutschland geplant - steuerlich entlastet. Mit einem Unterschied: London führte erst die Maut ein und senkte dann in einem separaten Beschluss die Steuer. Geholfen hat es dem britischen Premier David Cameron , der derzeit für den Verbleib in der EU wirbt, allerdings wenig. Auch gegen Großbritannien hat die Kommission nun ein Verfahren eröffnet, wenn auch spät.

Bis zuletzt war unklar, ob die EU-Behörde diesen Schritt wagen würde - so kurz vor dem Referendum am 23. Juni über die Mitgliedschaft des Landes in der EU. Bislang ist man London entgegengekommen, wo immer es möglich war. Der für denselben Tag seit langem geplante Gipfel wurde auf die Folgewoche verschoben. Dabei soll es zwar offiziell um die Flüchtlingskrise gehen. Doch schon jetzt ist klar: Der Fokus wird auf dem britischen Volksentscheid liegen. Umso überraschender kam der gestrige Entschluss, über das Vertragsverletzungsverfahren den Konfrontationskurs zu suchen. Im EU-Parlament mehren sich Befürchtungen, dass die Nein-Kampagne damit beflügelt werden könnte. "Das ist eine regelrechte Steilvorlage", meinte der Verkehrsexperte Michael Cramer von den Grünen - und sprach von einem denkbar schlechten Zeitpunkt. Der CSU-Abgeordnete Markus Ferber begrüßte hingegen den konsequenten Schritt der Kommission: "Es wäre ein Skandal gewesen, wenn man aus Rücksicht auf das Referendum kein Verfahren gegen Großbritannien eingeleitet hätte." Dadurch wäre auch der Prozess gegen die Bundesrepublik "der Lächerlichkeit preisgegeben" worden, sagte er der SZ.

In die Maut-Gesetzgebung der EU-Staaten hat sich die Kommission als "Hüterin der Verträge" schon mehrfach eingemischt, etwa in Belgien, Slowenien, Österreich und Ungarn. So musste Slowenien seine im Vergleich zu den Jahresvignetten sehr teuren Kurzzeittickets günstiger anbieten. "In zwei Fällen", schreibt die Kommission nun in ihrer Stellungnahme, müsse man jetzt aktiv werden, "um zu verhindern, dass Fahrer wegen ihrer Staatsangehörigkeit diskriminiert werden". Eine heftige Kollision zwischen Berlin und Brüssel scheint kaum mehr vermeidbar.

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