Streit um das Beamten-Streikverbot

Berlin. Es ist äußerst selten, dass eine Gewerkschaft um weniger Rechte streitet, statt um mehr. Der Deutsche Beamtenbund (dbb) macht da eine Ausnahme. Er will kein Streikrecht für seine Mitglieder

Berlin. Es ist äußerst selten, dass eine Gewerkschaft um weniger Rechte streitet, statt um mehr. Der Deutsche Beamtenbund (dbb) macht da eine Ausnahme. Er will kein Streikrecht für seine Mitglieder. Weil Gerichte diese Position zuletzt in Frage gestellt hatten und die konkurrierende Lehrergewerkschaft GEW die Gegenposition vertritt, präsentierte DBB-Chef Peter Heesen am Mittwoch ein Rechtsgutachten. Ex-Verfassungsrichter Udo di Fabio begründete das prinzipielle Streikverbot: "Das Gesetz gilt, auch wenn es ringsherum vor Streiks nur so hagelt."Das hatten Verwaltungsgerichte in Hessen und Nordrhein-Westfalen vor kurzem noch anders gesehen, als sich dort Lehrer an den Warnstreiks für einen neuen Tarifvertrag im Öffentlichen Dienst beteiligten. Zwar bekräftigen sie meist das prinzipielle Streikverbot, lehnten aber die von den Dienstherren verhängten Bußgelder ab. Zwei Entwicklungen beeinflussten diese Urteile, die von den Oberverwaltungsgerichten allerdings aufgehoben wurden: Zum einen hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg (EGMR) in einem türkischen Fall festgehalten, dass die Arbeitnehmerrechte auch für Staatsdiener gelten müssten, die nicht im Kernbereich der Staatshoheit tätig sind, also nicht als Polizisten, Richter oder Soldaten. Zum anderen hatten Bund und Länder selbst für Zweifel gesorgt, weil sie aus Kostengründen dazu übergingen, Lehrer oder sogar Strafvollzugsbedienstete nicht mehr als Beamte, sondern als Angestellte zu beschäftigen. Auch wurden ehemals hoheitliche Aufgaben wie Post und Bahn privatisiert. So wichtig war dem Staat die "besondere Treuepflicht" in diesen Bereichen offenbar nicht mehr.

Vor allem die Lehrergewerkschaft GEW fordert das Beamtenstreikrecht für ihre Mitglieder. Sie ließ Gutachten fertigen, wonach außerhalb des staatlichen Kernbereichs ein Streikrecht gelten müsse, sonst sei Artikel 9 des Grundgesetzes, die gewerkschaftliche Koalitionsfreiheit, gefährdet. Auch müsse deutsches Recht gegenüber dem europäischen das Nachsehen haben.

Ganz anders nun Ex-Verfassungsrichter Di Fabio, der derzeit an der Universität Bonn lehrt. Das europäische Recht rangiere in dieser Frage nicht vor nationalem Recht. In welchen Aufgaben er Beamte einsetze und wo Angestellte, sei allein Sache des Gesetzgebers. Wenn der aber entschieden habe, dann müssten sich Beamte in Deutschland an Artikel 33 des Grundgesetzes halten, der bestimmt, dass die "hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums" zu befolgen sind. Dazu gehört das Streikverbot. Da könne es auch keinen Unterschied zwischen "Kernbereichsbeamten", etwa Polizisten, und "Randbereichsbeamten" wie Lehrern geben, sagte Di Fabio.

Beamte hätten gerade die Aufgabe, die Mehrheitsentscheidungen des Gesetzgebers durchzusetzen - und dürften gegen diesen deshalb nicht streiken. Alles andere bedeute eine Schwächung parlamentarischer Demokratien.

Eine endgültige Klärung wird es wohl erst vor dem Bundesverfassungsgericht geben. kol Foto: Kumm/dpa

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