Streichkonzert im Bundestag

Berlin. So etwas hat der Bundestag selten erlebt. Gleich vier wichtige Punkte wurden quasi in letzter Minute von der Tagesordnung abgesetzt. Es habe noch "Beratungsbedarf" gegeben, hieß es. Doch verbergen sich hinter dem Wort zum Teil erhebliche Unstimmigkeiten in der Regierungskoalition.CDU, CSU und FDP nähern sich ihrem Showdown am 4

Berlin. So etwas hat der Bundestag selten erlebt. Gleich vier wichtige Punkte wurden quasi in letzter Minute von der Tagesordnung abgesetzt. Es habe noch "Beratungsbedarf" gegeben, hieß es. Doch verbergen sich hinter dem Wort zum Teil erhebliche Unstimmigkeiten in der Regierungskoalition.CDU, CSU und FDP nähern sich ihrem Showdown am 4. November, wenn bei einem Spitzentreffen alle strittigen Fragen im Paket entschieden werden sollen. Deshalb wollten sich die Koalitionsparteien beim Thema Praxisgebühr nicht vorher von der Opposition vorführen lassen. Die hatte auf der heutigen Bundestagssitzung eine namentliche Abstimmung über die Abschaffung der Quartalszahlung erreichen wollen - um so die Unstimmigkeiten im Regierungslager öffentlich werden zu lassen. Doch die Koalition verhinderte, dass der Gesundheitsausschuss die dafür erforderliche Beschlussvorlage lieferte. "Das ist ein grobes Foulspiel", sagte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann.

Die FDP fordert anders als die Union die Abschaffung der Praxisgebühr und sieht dies offenbar auch als Gegenleistung für ihre Zustimmung zum Betreuungsgeld, das die CSU durchsetzen will. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle hielt sich gestern bedeckt. Seine Partei sei hinsichtlich des Betreuungsgeldes zwar koalitionstreu, aber "über die Ausgestaltung muss man reden", sagte er. Auf der anderen Seite sei klar, dass es Entlastungen der Krankenversicherten geben werde, entweder beim Krankenkassenbeitrag oder bei der Praxisgebühr. Immerhin, der Debatte um das intern ebenfalls umstrittene Betreuungsgeld konnten CSU, CDU und FDP nicht entrinnen: Die Opposition setzte dazu für heute eine Aktuelle Stunde durch. Brüderle sagte, trotz aller Debatten werde Deutschland "erfolgreich regiert" und man befinde sich im "schwarz-goldenen Oktober" der Entscheidungen. Dieser Eindruck wurde allerdings durch die Tatsache konterkariert, dass die Koalition drei weitere Gesetze vertagte. Darunter das wichtige Haushaltsbegleitgesetz. Hier geht es unter anderem um den Zuschuss des Bundes für die Krankenversicherung in Höhe von zwei Milliarden Euro, der 2013 entfallen soll. Auch eine Gesetzesänderung, wonach der Bund ab 2014 die Kosten für die Grundsicherung im Alter zu 100 Prozent übernehmen soll, wird vertagt. Brüderle sagte, die Union habe in letzter Minute "Beratungsbedarf" geltend gemacht. Genaueres wisse er nicht, jedoch habe die Verschiebung nichts mit dem anstehenden Koalitionsgipfel zu tun. Ebenfalls vertagt wurde eine Entscheidung über die Fortsetzung der Begünstigungen energieintensiver Betriebe bei der Umlage für Ökostrom. Zu diesem Komplex soll es im Dezember einen Energiegipfel zwischen der Kanzlerin und den Länderchefs geben. Außerdem sind auch hier Union und FDP noch nicht auf einer Linie.Foto: Gambarini/dpa

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