Stoibers Kahlschlag im EU-Gesetzes-Dschungel

Brüssel. Edmund Stoiber (Foto: dpa), einst bayerischer Ministerpräsident und auch in Berlin gefürchteter CSU-Chef, räumt in Brüssel offenbar doch weitaus gründlicher auf als von Vielen zunächst angenommen

Brüssel. Edmund Stoiber (Foto: dpa), einst bayerischer Ministerpräsident und auch in Berlin gefürchteter CSU-Chef, räumt in Brüssel offenbar doch weitaus gründlicher auf als von Vielen zunächst angenommen. In der kommenden Woche wird die EU-Kommission eine weitere Entlastung der Unternehmen von bürokratischen Auflagen beschließen, gegen die sich der EU-Gesetzgeber selbst lange gewehrt hatte. Rund 50 Millionen Mehrwertsteuer-Berechnungen, die in der EU pro Jahr anfallen, sollen künftig nach einheitlichen Verfahren elektronisch bearbeitet werden. Stoiber gegenüber unserer Zeitung: "Das wird die Firmen um rund 18 Milliarden Euro entlasten, denn so viel hat der Aufwand bisher gekostet."

Ende Februar ist dann bereits der nächste Schritt angekündigt: Binnenmarkt-Kommissar Charlie McCreevy wird die Vorschläge der Stoiber-Kommission aufgreifen, um überflüssige Auflagen bei den Handelsbilanzen zu kippen. Damit, so der ehemalige bayerische Spitzenpolitiker, werden "weitere Einsparungen in der Größenordnung von rund 7,5 Milliarden Euro wirksam".

Darüber hinaus haben sich die 15 Experten aus Wirtschaft und Politik, die im Auftrag der Kommission die Bürokratie-Kosten durchleuchten, einen "richtigen Hammer" (Stoiber) vorgenommen, der vor allem bei den Städten und Gemeinden zu einem "Aufatmen" führen dürfte: Demnach soll die Grenze, ab der eine europaweite Ausschreibung für kommunale Aufträge fällig wird, von derzeit fünf Millionen Euro "deutlich" angehoben werden. Stoiber: "In Brüssel machen sich einige gar keine Vorstellung davon, was es die Kommunen kostet, einen Auftrag innerhalb der ganzen Gemeinschaft auszuschreiben, obwohl nur wenige, ortsnahe Anbieter in Frage kommen." Die Arbeitsgruppe war im November von Industriekommissar Günter Verheugen (SPD) beauftragt worden, die Auswirkungen von insgesamt 42 Rechtsakten zu untersuchen. "Zu wenig", wie Stoiber jetzt bestätigte. Die bisherigen Vorschläge summieren sich bereits auf Entlastungen für die Betriebe in Höhe von 38 bis 39 Milliarden Euro.

Das Ziel aber liegt noch deutlich höher: Bis 2012 sollen die Unternehmen um 150 Milliarden Euro an Bürokratie-Kosten erleichtert werden, allerdings zusammen mit ergänzenden Maßnahmen in den Mitgliedstaaten.

Meinung

Unfassbarer

Bürokratiesumpf

Von SZ-Korrespondent

Detlef Drewes

Keinen Cent hätte anfangs jemand darauf gewettet, dass es der Stoiber-Kommission gelingen werde, mehr als nur ein paar Alibi-Vorschriften der EU zu kippen. Doch inzwischen verstummen auch die Skeptiker. Der ehemalige bayerische Ministerpräsident hat es nämlich geschafft, die ersten Widerstände in der Kommission und ihrer Verwaltung, ja sogar im Europäischen Parlament zu durchbrechen.

Die Entlastung der Unternehmen von unsinnigen Bürokratie-Kosten kommt tatsächlich in Gang. Unterm Strich darf man durchaus feststellen, dass sich der Aufwand lohnt. Auch wenn man hier und da fast schon erschüttert registrieren muss, wie unflexibel, wie starr, wie bürokratisch diese Union im Alltag arbeitet.

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