Staatsreform? Nein danke.
Die ganze Welt hat die vergangenen Tage gebannt die US-Präsidentenwahl verfolgt. Warum ist es jetzt genauso wichtig, die Augen nach China zu richten?Schmidt: In der Kommunistischen Partei gibt es einen kompletten Führungswechsel, der so nur alle zehn Jahre stattfindet
Die ganze Welt hat die vergangenen Tage gebannt die US-Präsidentenwahl verfolgt. Warum ist es jetzt genauso wichtig, die Augen nach China zu richten?Schmidt: In der Kommunistischen Partei gibt es einen kompletten Führungswechsel, der so nur alle zehn Jahre stattfindet. Es betrifft alle zentralen Gremien: Das Zentralkomitee tauscht alle 371 Mitglieder aus, das Politbüro alle 25 Mitglieder, und die sieben bis neun Posten des Ständigen Ausschusses werden neu besetzt. Und das ist entscheidend. Denn der Ausschuss ist der innere Führungskreis der KP, das Machtzentrum sozusagen. Aus ihm gehen die späteren staatlichen Entscheidungsträger des Landes, also auch die Ansprechpartner der deutschen Politik hervor.
Gibt es bei der Besetzung noch große Überraschungen? Immerhin steht ja mit Xi Jinping bereits der neue KP-Chef und spätere Staatspräsident Chinas fest.
Schmidt: Schon, aber der Parteichef ist im inneren Kreis der KP nicht mehr als Erster unter gleichen. Politische Entscheidungen werden hier im Konsens getroffen und das heißt einstimmig. Deshalb versuchen in den kommenden Tagen alle Parteiflügel ihre Leute in dieses Gremium zu bekommen.
Was sind die wichtigsten Themen, mit den sich die Führungsgeneration beschäftigen muss?
Schmidt: Es wird um die Bekämpfung von Korruption und Amtsmissbrauch gehen. Aber auch um Kollektivgüter wie bessere Luft- und Wasserqualität, soziale Sicherungssysteme, die Stärkung des Binnenmarktes, Schuldenabbau im Bankensektor und der lokalen Regierungen.
Gibt es auch eine Reform der Ein-Parteien-Herrschaft?
Schmidt: Eine Demokratie nach westlichem Vorbild kommt für die chinesische Führungsriege nicht infrage. Das hat im Mao geprägten Staat natürlich ideologische Gründe. Aber nicht nur. Das Staatsmodell ist auch die Grundlage des Reichtums führender Parteifunktionäre. Sie wollen deshalb die Macht nicht teilen.
Wo wird die deutsche Politik beim Wechsel der KP-Führungsgeneration genau hinschauen?
Schmidt: China ist derzeit unser drittgrößter Handelspartner. Allein 2011 machten die deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen ein Handelsvolumen von 144 Milliarden Euro aus. Und die Tendenz ist dramatisch steigend. Nur deshalb sind wir so gut durch die Wirtschaftskrise gekommen. Wir sind aber auch künftig abhängig davon, dass China seinen Markt weiter für uns und Europa offenhält. Die entscheidende Frage wird also sein: Sieht Chinas neue Führung uns weiter als Handelspartner oder als Konkurrent? Letzteres wäre fatal.