Interviev Gesine Schwan „Die SPD ist nicht die Titanic“

Berlin · Die Suche hat begonnen: Eine, einer oder eine Doppelspitze soll die SPD aus der Krise führen. Gesine Schwan, 2004 und 2009 Kandidatin für das Amt der Bundespräsidentin, traut sich den Parteivorsitz zu. Im Gespräch mit unserer Redaktion äußert sich die 76-Jährige Politikprofessorin über ihre Ziele, die Fehler von Ex-Chefin Andrea Nahles und ein Tandem mit Juso-Chef Kevin Kühnert.

 Wird sie die neue Vorsitzende der Bundes-SPD? Gesine Schwan war bereits zweimal für die Partei ins Rennen ums Bundespräsidentenamt gegangen und war beide Male gescheitert.

Wird sie die neue Vorsitzende der Bundes-SPD? Gesine Schwan war bereits zweimal für die Partei ins Rennen ums Bundespräsidentenamt gegangen und war beide Male gescheitert.

Foto: dpa/Z1018 Ralf Hirschberger

Frau Schwan, was reizt Sie an einem Job auf der Titanic?

Gesine Schwan: Das würde mich nicht reizen. Die SPD ist auch nicht die Titanic, die unweigerlich auf einen Eisberg zufährt.

Sondern?

Schwan: Die SPD ist eine gefährdete Partei. Es hat mich bedrückt, wie sie schon seit längerer Zeit abgeschrieben worden ist. Das empfinde ich als völlig unangemessen gegenüber den Leistungen von vielen Sozialdemokraten in der Vergangenheit und in der Gegenwart.

Was treibt Sie an?

Schwan: Ich will, dass wieder mehr Mut entsteht und meine Partei nicht weiter in der Depression versinkt. Das ist mein Motiv. Ich verstehe mich als Mutmacherin.

Deswegen wollen Sie SPD-Chefin werden?

Schwan: Ich will nicht unbedingt Parteivorsitzende werden. Ich habe es aber auch nicht ausgeschlossen, wenn es genügend Rückhalt für mich gibt. Ich glaube überhaupt nicht an Heilsbringer. Es geht mir nur darum, Potenziale zu stärken, die ich in der Partei sehe.

Für viele Außenstehende sind solche Potenziale kaum noch erkennbar. Welche sehen Sie denn?

Schwan: Zum Beispiel die sehr klare humanitäre Ausrichtung der SPD. Da gibt es so viel Kompetenz und Beharrlichkeit. Ich erlebe zudem bei meinen Veranstaltungen viel Dankbarkeit, wenn ich die sozialdemokratischen Werte offen vertrete. Die, die nicht im Rampenlicht stehen, empfinden das als Ermutigung.

War es dann ein Fehler, erneut in die Große Koalition einzutreten?

Schwan: Nein. Ich bin auch für eine Doppelstrategie: Wir müssen bei Kompromissen in der Großen Koalition immer auch gleich sagen, was man ohne diese Kompromiss-Notwendigkeit selbst gewollt hätte. Nur so bleibt das Profil erkennbar.

Hat Andrea Nahles das nicht beherzigt?

Schwan: Andrea Nahles hat das sehr versucht. Aber die Politik ist viel schwieriger, als man theoretisch denkt. Die Maaßen-Affäre, die ein riesiges Gewicht bekommen hat, ist im Vergleich zu vielen Fehlentscheidungen früher in der Europapolitik ein Peanuts. Damals war Andrea akut mit den Kräften überfordert und ist überrumpelt worden.

Sozialpolitisch hat Nahles die Abkehr von Hartz IV umgesetzt. War das richtig?

Schwan: Ja. Da hat sie eine sehr große Leistung vollbracht. Sie hat mit großer Geduld die Debatte darüber zugelassen und in die richtigen Bahnen geleitet. Dann sind die Umfragen erst hoch- und wieder runtergegangen. So etwas ist einfach von großem Gewicht. Wenn man den Trend trotzdem nicht umkehrt, wird es für jeden Politiker gefährlich.

Wie wollen Sie die Trendumkehr erreichen?

Schwan: Wir brauchen mehr inhaltliche Kommunikation. Dabei geht es mir nicht um irgendwelche Positionspapiere. Sondern um Diskussion nach innen und nach außen mit den verschiedenen Milieus. Nur durch das, was uns gemeinsam begeistert, schaffen wir Überzeugungen, zu denen die Partei dann auch stehen kann. Und ich glaube, dass viele Menschen mehr Begeisterung wollen.

Wie werden Sie jetzt weiter vorgehen? Das Tandem mit Kevin Kühnert klappt ja wohl nicht.

Schwan: Ein Tandem mit Kühnert war nie intendiert. Das ist mir nur nahegelegt worden. Ich habe aber immer gesagt, ich empfinde die teilweise Dämonisierung seiner Person als völlig ungerecht. Ich habe ihn stets sehr argumentativ und nachdenklich kennengelernt.

Aber noch einmal – was planen Sie jetzt?

Schwan: Es gibt klare Überlegungen zu einem Tandem, an denen Kühnert beteiligt ist, aber bei denen es nicht nur um ihn geht. Er steht nicht zur Debatte als Co-Vorsitzender an meiner Seite. Aber es gibt Alternativen.

Welche?

Schwan: Das werde ich erst sagen, wenn es soweit ist.

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