Sorgenkind auf Katastrophen-Kurs

Sevilla/Madrid · Der Militärtransporter A400M gilt als Sorgenkind der europäischen Verteidigungspolitik. In Südspanien stürzte eine Maschine bei ihrem Jungfernflug ab. In Deutschland darf die Maschine erst einmal nicht mehr starten.

"Wir kommen nicht mehr bis zur Landepiste", funkten die Piloten am Samstagmittag noch zum Kontrollturm. Sekunden später zerschellte der Militärtransporter Airbus A400M dann zwei Kilometer nördlich der Landebahn auf einem Feld. Die Fluglotsen im Tower des Flughafens Sevilla sahen einen schwarzen Rauchpilz aufsteigen und alarmierten die Rettungskräfte.

Einen Tag nach dem Absturz des hochmodernen Militärflugzeuges nahe Sevilla weiß man, dass die Piloten eine größere Katastrophe vermeiden konnten: Sie versuchten offenbar auf einem Ackergelände eine Notlandung. Und vermieden so haarscharf den Absturz über einem großen Einkaufszentrum und einer riesigen Getränkefabrik. Am Unglücksort untersuchten gestern Airbus-Experten und die spanische Luftfahrtbehörde die Trümmer. Flugzeugteile liegen weit verstreut über der verbrannten Erde. Ein Hochspannungsmast, mit dem die Maschine kollidierte, liegt auf dem Boden. Die Funken der heruntergerissenen Starkstromleitung trugen wohl dazu bei, dass die Maschine beim Aufprall in Flammen aufging - und sich nur zwei der sechs Besatzungsmitglieder retten konnten. "Sie sprangen aus Fenstern des brennenden Wracks", berichtete ein Augenzeuge. Die anderen starben im Flieger: Zwei Piloten, ein Mechaniker, ein Ingenieur.

Der abgestürzte viermotorige Militär-Airbus A400M befand sich auf seinem ersten Flug und sollte vor seiner Auslieferung an die Türkei getestet werden. Im Airbus-Werk in Sevilla, gleich neben dem Flughafen, findet die Endmontage des A400M statt. Die Unglücksmaschine war das 23. Flugzeug dieses Typs, das hier vom Band gelaufen war. Nach der Produktion mehrerer Prototypen war Ende 2013 der erste offizielle A400M an Frankreich übergeben worden. Auch Deutschland, Großbritannien und die Türkei testen seit Monaten den Transporter, verhängten aber nach dem Unglück ein vorläufiges Startverbot.

Der Schwertransporter ist ein europäisches Gemeinschaftsprojekt, an dessen Bau mehrere EU-Staaten, darunter Deutschland, Frankreich und Großbritannien, beteiligt sind. Doch es gab immer wieder Rückschläge. Und so stiegen die Entwicklungskosten des Rüstungsprogramms in wenigen Jahren von 20 auf 30 Milliarden Euro. Der Anschaffungspreis pro Maschine, welche die in die Jahre gekommenen Transall- und Hercules-Transporter ablösen soll, beträgt 175 Millionen Euro. Die Bundeswehr hat 53 Maschinen bestellt, Frankreich 50, Spanien 27, Großbritannien 22. Die Türkei sagte den Kauf von zehn Flugzeugen zu, Belgien von sieben und Luxemburg orderte eins.

Auch wenn erst die Auswertung des Flugschreibers Gewissheit über die Unglücksursache geben wird, lässt sich aus den bekannten Informationen herauslesen, dass technisches Versagen eine Rolle gespielt haben könnte. Die Piloten meldeten kurz nach dem Start Probleme mit dem Auftrieb und wollten wieder landen. Sie flogen eine Kurve Richtung Airport - kamen aber nicht bis zur Landepiste.

Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy äußerte sich gestern vorsichtig: "Derzeit wissen wir noch nicht, was in technischer Hinsicht passiert ist". Er forderte Airbus "zur maximalen Transparenz" bei der Aufklärung auf. Diese sei "für Spanien und auch für die ganze EU sehr wichtig".

Meinung:

Ein schwerer Schlag

Von SZ-MitarbeiterRalph Schulze

Zu teuer, viele Pannen, lange Verzögerungen und nun möglicherweise auch noch unsicher: Der europäische Militär-Airbus A400M steht unter keinem guten Stern. Der Absturz des schon lange umstrittenen militärischen Riesenvogels in Sevilla markiert jedoch einen neuen Rückschlag und einen Tiefpunkt für dieses wichtige europäische Rüstungsprojekt. Denn: Auch wenn man noch nicht genau weiß, deutet doch alles auf technische Fehler hin. Soweit sich dieser Befund bestätigt, wäre dies eine Katastrophe für das milliardenschwere Flugobjekt. Das dürfte die Lust, diesen Schwerlast-Transporter wie geplant zu produzieren und in größerer Stückzahl anzuschaffen, kaum vergrößern. Auch der Traum, einen Teil der Entwicklungskosten durch den Export wieder hereinzuholen, hat sich damit wohl zerschlagen.

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