Sonderermittler erhebt schwere Vorwürfe gegen NSA

Berlin · Über Monate durchforstete der Ex-Verwaltungsrichter Graulich Listen mit heiklen Spähbegriffen des US-Geheimdienstes NSA. Nun liegt sein Abschlussbericht vor – und der spart nicht mit Tadel für die Amerikaner.

Der Sonderermittler der Bundesregierung zu den umstrittenen NSA-Spählisten, Kurt Graulich, erhebt schwere Vorwürfe gegen den US-Geheimdienst. Graulich hatte über mehrere Monate fast 40 000 heikle Suchbegriffe untersucht, die die NSA an den BND übermittelt hatte, um damit große Datenströme durchkämmen zu lassen. In seinem Abschlussbericht wirft der frühere Verwaltungsrichter den Amerikanern nun gravierende Verstöße gegen vertragliche Vereinbarungen vor.

Vor Monaten war der Vorwurf ans Licht gekommen: Der Bundesnachrichtendienst (BND) soll der National Security Agency (NSA) über Jahre geholfen haben, europäische Unternehmen und Politiker auszuforschen. Die NSA lieferte dem BND demnach für die Überwachung des Datenverkehrs in seiner Abhörstation in Bad Aibling viele Tausend Suchmerkmale (Selektoren) wie Telefonnummern oder IP-Adressen von Computern, die gegen deutsche und europäische Interessen verstießen. Über die Jahre sortierte der BND Tausende der heiklen US-Selektoren aus.

Diese untersuchte Graulich. In seinem fast 300 Seiten starken Abschlussbericht heißt es, die NSA habe mit ihren übermittelten Selektoren "in einer überraschend großen Zahl von Fällen" den Schutz deutscher Bürger missachtet. Diese sind durch das Grundgesetz besonders vor Ausforschung bewahrt.

Am umfangreichsten sei aber die Missachtung des Schutzes europäischer Ziele, beklagt Graulich in dem Bericht. Das sei ein Verstoß gegen das gemeinsame Memorandum of Agreement (MoA) zur deutsch-amerikanischen Geheimdienstkooperation. "Die Aufnahme der E-Mail-Adressen ganzer Bürostäbe europäischer Regierungen ist ein offensichtliches Übermaß, das nicht vom MoA gedeckt ist", schreibt Graulich. Die NSA habe sich dadurch "nicht nur vertragswidrig verhalten", sondern auch die deutsche Position gegenüber europäischen Partnern potenziell gefährdet.

Die Bundesregierung will die Arbeit des BND nun strenger regulieren. Vize-Regierungssprecherin Christiane Wirtz kündigte an, das Auftragsprofil des BND solle überarbeitet werden. Neben einer internen Untersuchung der Strukturen und Abläufe in der BND-Abteilung "Technische Aufklärung" werde zusätzlich eine "umfassende externe Überprüfung bis Ende dieses Jahres initiiert". Geplant sei auch eine Überarbeitung der gesetzlichen Grundlagen für die Fernmeldeaufklärung des BND.

Am kommenden Donnerstag soll Ex-Richter Graulich seine Erkenntnisse im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages vortragen.

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