Serbien „beweist“ seine Unschuld am Ersten Weltkrieg

Belgrad · Der serbische Nationalist Princip hat mit dem Mord am Habsburger Thronfolger Franz Ferdinand den Ersten Weltkrieg ausgelöst. Dennoch will sich Belgrad von jeder Mitschuld reinwaschen.

Serbien ist es leid, als Mitverursacher des Ersten Weltkriegs abgestempelt zu bleiben. Der Balkanstaat will nicht hinnehmen, dass der Nationalist Gavrilo Princip, der im Juni 1914 in Sarajevo den Habsburger Thronfolger Franz Ferdinand ermordete, als Terrorist in die Nähe von Al Qaida gerückt wird.

Jetzt will das Land seine Wahrheit zum Krieg vorlegen. Der renommierte Regisseur Emir Kusturica will dazu einen Film drehen. Gleichzeitig stellte er ein Dokument aus dem Belgrader Staatsarchiv vor, das Serbien von allen Vorwürfen reinwaschen soll. Es handelt sich um einen Brief des damaligen Wiener Militärgouverneurs in Bosnien, Oskar Potiorek, an Finanzminister Leon Bilinski vom 28. Mai 1913. Darin werde deutlich, dass das Habsburgerreich bereits ein Jahr vor Kriegsbeginn die große militärische Auseinandersetzung geplant habe. "Das ist unsere Antwort auf den Versuch, die Geschichte umzudeuten", sagte Kusturica, der Vorsitzender des Vorbereitungskomitees zum 100. Jahrestag des Weltkriegsausbruchs ist.

Serbische Medien jubelten. "Die Österreicher haben den Ersten Weltkrieg ein Jahr vor dem Mord an Ferdinand geplant" und "Wien hat schon 1913 den Krieg geplant", titelten die größten Zeitungen "Novosti" und "Blic". "Wir sind nicht Schuld am Krieg", ging "Telegraf" noch einen Schritt weiter. Der Brief sei "eine der bedeutendsten Quellen zur Erforschung der Kriegsschuldfrage", behauptet Archiv-Direktor Miroslav Perisic. Allerdings sei er bisher "totgeschwiegen" worden.

In der internationalen Fachwelt löste das Staatsarchiv nur Kopfschütteln aus. Der Brief sei "nichts Großartiges", sagte der Weltkriegskenner Manfried Rauchensteiner, und: "Wieso der Brief je in Belgrad gewesen sein soll, ist mir schleierhaft." Dazu lieferte das Staatsarchiv diese Erklärung: Man verfüge über eine etwa 1930 angefertigte Abschrift des Briefes. Dann gingen die Archivare auf Tauchstation. Direktor Perisic ließ sich verleugnen, als nach dem Abschriftsoriginal in deutscher Sprache gefragt wurde. Denn das Staatsarchiv hatte lediglich eine serbische Übersetzung vorgelegt. In dieser steht so ziemlich das Gegenteil dessen, was ihm Serbien zuschreibt.

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