Sensationsfund oder totale Pleite?
Warschau/Walbrzych · Wenn es ihn gäbe, wäre es eine Sensation: Zwei Hobbyschatzsucher graben seit gestern nach dem sagenhaften Nazi-Goldzug, der im früheren Waldenburg in Polen verschüttet sein soll. Sie werden ihn finden – glauben sie.
Ein Jahr lang haben die Schatzsucher Piotr Koper und Andreas Richter diesem Tag entgegengefiebert. Endlich ist er da: Am frühen Dienstagmorgen rollen zwei Bagger am Bahnkilometer 65 zwischen Walbrzych (Waldenburg) und Wroclaw (Breslau) an. Nach langen Spekulationen soll das schwere Gerät nun Klarheit schaffen: Liegt hier der angebliche deutsche Panzerzug mit Nazi-Gold aus dem Zweiten Weltkrieg begraben, in dem die Nationalsozialisten Raubgut vor der Sowjet-Armee versteckt haben sollen? Oder ist alles nur erfunden, erleben die Schatzsuche eine totale Pleite?
Zumindest die Hobbyhistoriker Koper und Richter sind davon überzeugt, die sagenhaften Nazi-Waggons zu finden. Einen unterirdischen Tunnel mit einem Zug wollen sie auf Bodenradarbildern entdeckt haben. Das meldeten sie vergangenen August den Behörden und lösten damit weit über Polen hinaus ein Schatzfieber aus. Gerüchte und Spekulationen über einen angeblich verschütteten Goldzug gibt es in der Region seit den 1970er Jahren - bislang fehlen aber die Beweise. Wenn die Legende wahr ist, brachten Hitlers Soldaten mit dem gepanzerten Zug geraubte Schätze vor den Sowjets in Sicherheit - vermutlich Kunst oder Edelmetall, Gold und Diamanten, erbeutet von ihren Opfern im Osten und in der ganzen Welt.
Entsprechend groß sind die Erwartungen an das Schatzgräber-Duo. "Klar, wir spüren die Verantwortung auf unseren Schultern lasten", sagt Koper vor Grabungsbeginn. Doch davon wolle er sich nicht stressen lassen. "Es geht darum, etwas Gutes zu erleben", betont er. "Das ist Leidenschaft". Und die muss groß sein - schließlich zahlen Koper und Richter die nach ihren Angaben bislang etwa 33 000 Euro teure Suche aus eigener Tasche. Sie haben schon mal zehn Prozent Finderlohn an ihrer vermeintlichen Entdeckung angemeldet.
Die Sponsoren sprangen nämlich ab, als Experten der Bergbauakademie Krakau das Terrain bei Walbrzych untersuchten und erklärten, einen Zug gebe es dort nicht. Ein weiterer Fachmann erklärte, die Bodenradarbilder der Hobbyschatzsucher seien eine Fotomontage. Koper hält dagegen: "Wir suchen die Wahrheit und werden sehen, wie es ist."
Ende Juni hatten die Schatzgräber alle Genehmigungen, in den vergangenen Tagen trafen sie letzte Vorbereitungen: Der Boden wurde geebnet, das Suchgebiet abgeschirmt, Bäume wurden gefällt. Zuschauer haben keinen Zutritt. "Aus Sicherheitsgründen", erklärt Andrzej Gaik, einer der beiden Sprecher des Teams. Schließlich arbeite man mit schwerem Gerät.
An drei Stellen solle auf einer Strecke von knapp 100 Metern gegraben werden, rund sechs Meter tief. Das Team erwarte, einen unterirdischen Bahntunnel und Gleise zu finden. Diese könnten zum nahegelegenen riesigen Stollensystem der Nazis - dem "Projekt Riese" - führen, das nie fertiggestellt wurde. Dort sollen die Schätze ruhen.
Für die Suche sind zunächst zwei Wochen angesetzt. Die Schatzgräber hoffen aber auf frühere Ergebnisse. "Ein Zug ist schließlich keine Nadel im Heuhaufen. Wenn er hier liegt, werden wir ihn finden", ist Gaik überzeugt. "Mit den Gütern, die praktisch aus ganz Europa geraubt worden waren", sagt Gaik. "Das ist die wichtigste Sache".
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Hintergrund Legenden um vermeintliche Nazi-Schätze sind zahlreich: Im Toplitzsee im Salzkammergut sollen Hinweise auf Milliardenkonten von Nazigrößen versenkt sein - bislang sind sie verschollen. Auch im Stolpsee in Brandenburg wurde bisher weder Gold noch Platin gehoben, das angeblich dort lagern soll. Der vergrabene Nazi-Goldschatz auf Burg Falkenstein im Allgäu bleibt bis dato lediglich ein Gerücht. Und das Bernsteinzimmer, das die Nazis in Russland "eroberten", ist ebenso verschwunden. Das einstige Geschenk der Preußen an den Zaren ward seit 1942 nicht mehr gesehen.dpa