Sechs große Bewährungsproben für Lindner bis zur Bundestagswahl

Stuttgart · Vor den drei Landtagswahlen im März steht die FDP gar nicht so schlecht da. Doch die Unwägbarkeiten in der Flüchtlingskrise können die gute Ausgangslage schnell zunichtemachen. Das weiß auch Parteichef Lindner.

Auf dem Wahlkampfbild für die anstehenden Landtagswahlen steht unter den Gesichtern der drei FDP-Spitzenkandidaten in großen gelben Buchstaben eine augenzwinkernde Botschaft: "Wir können auch Männer." Nachdem die Liberalen im vergangenen Jahr bei den Wahlen in Hamburg und Bremen mit zwei Spitzenfrauen in die Parlamente einzogen, treten sie in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt am 13. März nun mit drei Männern an. Von ihrem Abschneiden hängt entscheidend die Zukunft der FDP ab, die seit 2013 nicht mehr im Bundestag sitzt.FDP-Chef Christian Lindner erntet wieder viel Beifall beim traditionellen Dreikönigstreffen der Liberalen in der Stuttgarter Staatsoper. Der 36-Jährige wird einmal mehr als Hoffnungsträger der Freien Demokraten auf dem Weg zurück in den Bundestag 2017 gefeiert.

Die Chancen bei den drei wichtigen Parlamentswahlen zu bestehen, scheinen ganz gut. Doch siegessicher oder gar selbstsicher kann die FDP keineswegs sein. Der Kandidat im Ländle, Hans-Ulrich Rülke, erzählt, er werde bei seinen Besuchen zwar immer sehr freundlich empfangen und bekomme auch viel Zustimmung. Frage er aber, ob die Gesprächspartner die FDP in neuneinhalb Wochen auch wählen würden, heiße es oft: Weiß nicht genau.

Die Wiederwahl in Baden-Württemberg und auch der Wiedereinzug in den Landtag in Mainz sind indessen fast schon ein Muss für die FDP . Alles andere wären herbe Rückschläge - auch für Lindner. Der gibt sich zwar bei seiner gut einstündigen, frei gehaltenen Rede entspannt, doch er steht unter Strom.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU ) hält er vor, mit ihrer unabgestimmten Grenzöffnung für Flüchtlinge ein Chaos in Europa angerichtet zu haben. Ein größeres Behördenversagen habe er noch nie erlebt. Und die Obergrenzen-Debatte von CSU-Chef Horst Seehofer treibe nur den Rechtspopulisten Wähler zu.

Ein echtes Problem ist für Lindner die Auseinandersetzung mit der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD). Lange Zeit versuchte der FDP-Chef den Eindruck zu erwecken, er wolle seinen sachlichen, liberalen Kurs insbesondere auch in der Flüchtlingspolitik durchziehen, egal was links und vor allem rechts von ihm passiert. Die liberalen Überzeugungen seien unabhängig von Umfragen oder Konkurrenten, betonte der Parteivorsitzende immer wieder.

Doch angesichts der sexuellen Übergriffe mutmaßlich ausländischer Täter auf Frauen in Köln und Hamburg, die die üblichen rechten Klischees scheinbar bestätigen, ist dieser Kurs wohl nicht mehr durchzuhalten. Diese Vorgänge sorgen nämlich für Verunsicherung bis tief in das bürgerliche Lager hinein. In Stuttgart sagte Lindner nun, die FDP suche gerade auch mit der AfD die Auseinandersetzung, "nicht weil wir um die gleichen Wähler konkurrieren würden, sondern weil die Freien Demokraten unter allen Parteien der schärfste Kontrast zur AfD sind".

2016 bietet eine besondere politische Lage und ist überhaupt ein besonderes Jahr, sagt Lindner. Nach den drei Landtagswahlen im März stehen im September noch zwei Parlamentswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin an. Und im nächsten Jahr hängt viel davon ab, wie Lindner bei der Wahl in Nordrhein-Westfalen abschneidet und ob die FDP danach den Wiedereinzug in den Bundestag schafft.

Meinung:

Liberales Pfeifen im Walde

Von SZ-Korrespondent Werner Kolhoff

Die Liberalen geben sich ungebrochen. Das ist vielleicht schon die wichtigste Erkenntnis aus der Dreikönigskundgebung. Aber die Frage, warum jemand FDP wählen sollte, ist heute noch schwieriger zu beantworten als zu Westerwelles Zeiten, als man noch sagen konnte: Sonst schaltet die CDU ja alleine, wie sie will. Jetzt könnte die CDU auch mit den Grünen, so wie sie mit der SPD kann. Und jetzt gibt es auch rechts der Mitte Alternativen. Für die FDP sind das keine guten Ausgangsvoraussetzungen. Wenn es in den drei Ländern Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt am 13. März nicht reicht, wird man für 2017 doch mutlos werden. Da mag der Vorsitzende noch so eloquent auftreten. Die drei Länder sind Hochburgen. Wenn es da nicht klappt, wo dann? Die Kundgebung von Stuttgart wirkte selbstbewusst wie eh und je, aber sie war auch Pfeifen im Walde. Auftakt für das liberale Schicksalsjahr 2016.

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