Schweizer Wunderwerk dank Heidi, Sissi und Gabi

Zürich · Tausende Menschen haben am Gotthard-Basistunnel mitgebaut: Bergleute, Elektriker, Ingenieure. Fast jeder vierte kam aus Deutschland – und Deutschland könnte von dem Großprojekt wohl auch einiges lernen.

Erst war ein Grollen zu hören, wie ein nahendes Gewitter. Dann unglaublich lautes Kreischen, Pochen, Poltern und Knirschen. Alles vibrierte wie bei einem Erdbeben, als die Meißel der gigantischen Tunnelbohrmaschine S-10 zum ersten Mal den Gneis des Gotthardmassivs angriffen. Gut 13 Jahre danach steht der Bohrkopf von damals mit seinen 9,5 Metern Durchmesser im Museum. Und Martin Herrenknecht steht vor dem bislang schönsten Tag seines Lebens als "König der Tunnelbohrer": Heute wird er zu den Ehrengästen gehören, die im Sonderzug durch den Gotthard-Basistunnel fahren und damit den längsten Eisenbahntunnel der Welt offiziell eröffnen werden.

"Das ist für mich die Erfüllung eines Wunschtraums", sagt der 74-Jährige. Herrenknecht ist der Gründer und immer noch aktive Chef des gleichnamigen Unternehmens im baden-württembergischen Schwanau - des Weltmarktführers für Tunnelvortriebstechnik. Mit vier Herrenknecht-Bohrmaschinen wurde der weitaus größte Teil der zwei Riesenröhren für den Gotthard-Basistunnel aus dem Fels geschnitten. Millionen von Kubikmetern Gestein haben die Schwanauer "Riesenmaulwürfe" bewältigt - das Gesamtvolumen entspricht dem Fünffachen der Cheopspyramide. Zu Spitzenzeiten waren 2400 Arbeitskräfte oft unter schwierigen Bedingungen - die Temperatur im Berg erreichte häufig 40 Grad - im Einsatz. Und es waren weitere deutsche Unternehmen dabei, insgesamt kam etwa jeder vierte Mitarbeiter aus Deutschland. Für den Schweizer Hauptauftraggeber, die AlpTransit Gotthard AG, waren zum Beispiel Ingenieure , Techniker und Tunnelexperten des Essener Baukonzerns HochTief an dem Jahrhundertwerk im Herzen der Alpen beteiligt. Für rund die Hälfte der Tunnelstrecke von insgesamt mehr als 150 Kilometern - einschließlich mehrerer Seitenschächte und Sicherheitsstollen - haben "Hochtiefler" den Rohbau ausgeführt. Zudem haben sie eine der vier jeweils mehr als 400 Meter langen Herrenknecht-Bohrmaschinen bedient - jene mit dem Kosenamen Heidi. Die anderen drei hießen Sissi, Gabi 1 und Gabi 2.

"Dieses gigantische Projekt lief ab wie ein Schweizer Uhrwerk", sagt Herrenknecht. Im Vergleich damit seien deutsche Großprojekte wie die Elbphilharmonie und Stuttgart 21, vor allem aber der Berliner Flughafen "ein großes Trauerspiel". Was lief am Gotthard besser als in Berlin? Herrenknecht nennt vor allem zwei Gründe: Die Gesamtleitung hätten von Anfang an Fachleute gehabt, nicht Politiker. "Man sollte solche Sachen qualifizierten Ingenieurbüros und Baufirmen geben." Und er verweist auf die direkte Demokratie in der Schweiz: Lange vor Baubeginn sei das Projekt dem Volk erläutert und zur Abstimmung vorgelegt worden. "Die Schweizer haben sich das gut überlegt, Ja gesagt - und standen dann voll dahinter."

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