Schon eine Scheibe Wurst weniger in der Woche kann helfen

Berlin/Saarbrücken · Mit neuen Ernährungsempfehlungen will der WWF den Ausstoß von Treibhausgasen senken. Und erreichen, dass künftig nicht nur Deutsche satt werden. Kritisiert wird vor allem der Fleischkonsum.

"Das große Fressen" mit Marcello Mastro ianni und Michel Piccoli in den Hauptrollen ist ein ebenso verstörender wie kultiger Spielfilm aus dem Jahr 1973 . Vier Freunde wollen an einem Wochenende gemeinsam feierlich Selbstmord begehen - durch hemmungsloses (Fr)Essen. Wahrscheinlich nicht ohne Grund hat die Umweltschutzorganisation WWF einer neuen Studie zum übermäßigen Fleischkonsum genau deshalb diesen provozierenden Titel gegeben: "Das große Fressen - Wie unsere Ernährungsgewohnheiten den Planeten gefährden." Sie wurde gestern in Berlin vorgestellt - und hat es in sich.

"Wir sind dabei, unseren Planeten leer zu fressen", erklärte WWF-Expertin Tanja Dräger de Teran mit Blick auf die Folgen des allgemein hohen Verbrauchs tierischer Nahrungsmittel. 70 Prozent der Ackerfläche, die ein Deutscher durchschnittlich im In- oder Ausland für seine jährliche Lebensmittelversorgung benötige, diene der Erzeugung von Milch, Eiern und vor allem Fleisch. Auch sei die Herstellung tierischer Lebensmittel für etwa 70 Prozent der ernährungsbedingten CO{-2}-Emissionen jedes Deutschen verantwortlich.

Gerade der hohe Fleischkonsum sei wegen des damit einhergehenden Flächenverbrauchs und der Zerstörung etwa von Urwäldern ökologisch bedenklich und wirke zudem wie ein "Brandbeschleuniger" für den Klimawandel, erklärte die Expertin.

Doch das Problem könnte sich der Studie zufolge in den nächsten Jahrzehnten noch deutlich verschärfen - weil der Druck auf die landwirtschaftlich nutzbaren Böden angesichts einer wachsenden Weltbevölkerung und steigenden Wohlstands in Schwellenländern global weiter zunehme. Derzeit stünden für jeden Erdbewohner 1929 Quadratmeter Acker zu Verfügung. Bei gleichbleibender Nutzfläche sinke diese Fläche bis 2050 allerdings auf 1442 Quadratmeter. "Wir müssen uns fragen, für die Erzeugung welcher Lebensmittel wir diesen Boden verwenden wollen", sagte Dräger de Teran: "Wenn verfügbare Flächen immer mehr schwinden, können wir uns den derzeitigen Lebensstil künftig nicht mehr leisten."

Der WWF rief die Menschen vor diesem Hintergrund dazu auf, auch aus Umweltschutzgründen über eine Umstellung ihrer Ernährungsgewohnheiten nachzudenken. Der aktuelle deutsche Durchschnitts-Verbrauch von 700 Gramm Fleisch pro Woche sei ohnehin "ungesund" und sollte halbiert werden. Stattdessen könnte ein "deutlich vielfältigerer Speiseplan" mit mehr Getreide, Nüssen, Hülsenfrüchten wie Lupine oder Linsen und Gemüse gewählt werden.

Zur Veranschaulichung legte der WWF einige Beispiel-Rechnungen des Flächenverbrauchs und der CO{-2}-Bilanz beliebter Gerichte vor. Eine Portion Schweinebraten mit Knödeln und Rotkohl benötigt in der Herstellung demnach rund drei Quadratmeter Ackerland und verursacht 1,73 Kilogramm CO{-2}. Ein Teller Spaghetti mit Tomatensoße schlägt nur mit einem Flächenbedarf von 0,45 Quadratmetern und 0,63 Kilo CO{-2} zu Buche.

Rund 20 Millionen Hektar Flächen werden laut WWF für die Erzeugung von Nahrungsmitteln, inklusive Tierfutter, für den deutschen Bedarf beansprucht. Etwa ein Viertel dieser Böden befindet sich im Ausland, vor allem in Südamerika. Dort wachsen etwa Soja-, Kakao- und Kaffeebohnen. Der WWF kritisiert dieses Auslagern von Flächen, Deutschland müsse als Vorbild für Länder vorangehen, die den westlichen Lebensstil kopieren, sagte Dräger de Teran: "Wir müssen zeigen, dass es bei der Ernährung auch anders geht." Schon eine Scheibe Wurst pro Woche weniger mache einen Unterschied.

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