Schlappe für Obama in Massachusetts

Washington. So hat sich US-Präsident Obama (Foto: afp) den Jahrestag der Amtseinführung gewiss nicht vorgestellt. Ausgerechnet die Wähler in der demokratischen Hochburg Massachusetts nehmen seiner Partei die strategisch wichtige 60-Stimmen-Mehrheit im Senat. Stattdessen schicken sie den Republikaner Scott Brown nach Washington, der sich mit 52 zu 47 Prozent gegen Martha Coakley durchsetzte

Washington. So hat sich US-Präsident Obama (Foto: afp) den Jahrestag der Amtseinführung gewiss nicht vorgestellt. Ausgerechnet die Wähler in der demokratischen Hochburg Massachusetts nehmen seiner Partei die strategisch wichtige 60-Stimmen-Mehrheit im Senat. Stattdessen schicken sie den Republikaner Scott Brown nach Washington, der sich mit 52 zu 47 Prozent gegen Martha Coakley durchsetzte. Damit steht nun die Jahrhundertreform des Gesundheitswesens auf dem Spiel, in die Präsident Obama im ersten Amtsjahr einen großen Teil seines politischen Kapitals investiert hatte. Die Symbolik des Wahlausgangs geht bei den Analysten in Washington nicht verloren. Dass die Demokraten ausgerechnet den Sitz Ted Kennedys verlieren, der die Gesundheitsreform noch kurz vor seinem Tod als "Anliegen meines Lebens" bezeichnet hatte, spricht Bände. Die Wähler senden damit das Signal an Obama, die Prioritäten vom Kopf auf die Füße zu stellen. Erst Jobs, dann Defizitkontrolle und später vielleicht eine Gesundheitsreform. So jedenfalls dokumentieren es die Nachwahlumfragen in Massachusetts.Coakley bot eine geradezu ideale Zielscheibe für den Frust der Bürger mit ihrer politischen Elite. Siegesgewiss machte die Demokratin in der heißen Phase des Wahlkampfes einen Luxus-Urlaub in der Karibik, während der Populist Scott Brown im roten Pickup-Truck durch den eisigen Bundesstaat tourte und um jede Stimme warb.Den Tag danach prägten Fingerzeigen und die Suche nach Ursachen für die Pleite. "Nicht zu begreifen, wie sehr sich die Stimmung in dem Land gegen das Establishment gedreht hat, ist ein wesentlicher Teil des Problems", erklärt der demokratische Stratege Joe Trippi in den US-Medien den tieferen Grund für das Desaster von Massachusetts. Dies sei tragisch, weil Obama diese Stimmung vor einem Jahr genutzt habe, als erster Schwarzer ins Weiße Haus zu ziehen. "Als Präsident erkennt er nicht mehr, was vor sich geht." Indirekt stimmt der politische Chef-Stratege im Weißen Haus, David Axelrod, der Analyse Trippis zu. "Wir sind die Partei an der Macht und als solche haben wir ein Stück Verantwortung zugewiesen bekommen", erklärt der Vater des "Yes-We-Can"-Wahlkampfs. "Die Leute müssen wissen, dass ihre Herausforderungen und Sorgen im Zentrum dessen stehen, woran wir jeden Tag arbeiten." Unmittelbar müssen die Demokraten nun entscheiden, wie sie nach dem Verlust der strategischen 60-Stimmen-Mehrheit im Senat bei der Gesundheitsreform vorgehen wollen. Da der gewählte Senator Brown eine Unterstützung der Reform ausgeschlossen hat, bleiben drei Wege offen. Die Demokraten könnten noch vor dem Antritt des Kennedy-Nachfolgers ihre Mehrheit nutzen und im Eiltempo einen mit dem Repräsentantenhaus ausgehandelten Kompromiss durchsetzen. Denkbar wäre auch, dass das Haus die Senatsversion annimmt und eine weitere Abstimmung dadurch überflüssig macht. Oder die Reform wird vorläufig aufs Eis gelegt. Die Zustimmungswerte von Präsident Obama sind von 70 auf um die 50 Prozent abgesunken. Meinung

Falsche Schlüsse

Von SZ-KorrespondentThomas Spang Das politische Erdbeben in Massachusetts kann schnell dazu verleiten, die falschen Schlüsse aus der Schlappe der Demokraten zu ziehen. Weit verbreitet ist die Ansicht, Obama habe sich im ersten Amtsjahr zu viel aufgeladen und werde dafür nun von den Wählern abgestraft. Deren Frust am Jahrestag der Amtseinführung hat eher mit den fehlenden Ergebnissen zu tun. In den USA besteht die beste Chance, Reformen durchzusetzen, während der ersten Wochen des "Honeymoons". Und Obama musste den Beginn seiner Amtszeit damit verbringen, das Finanzsystem vor dem Kollaps zu bewahren. Dass sich der Zorn der Wähler nun gegen einen Präsidenten richtet, der versucht, den Scherbenhaufen aufzuräumen, den George W. Bush hinterlassen hat, zeugt vom Versagen der Demokraten, ihre Macht richtig zu gebrauchen.

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