Schießt Brüssel beim Waffenrecht übers Ziel hinaus?

Brüssel · Brüssel sagt dem illegalen Waffenhandel den Kampf an – und nimmt mit einer geplanten Gesetzes-Verschärfung auch die Sportschützen ins Visier. Verbände in Deutschland warnen vor einer „Gleichsetzung mit Terrorismus“.

Die Reaktion auf die Anschläge von Paris folgte prompt. Nur fünf Tage nach dem Tod von über 130 Menschen in der französischen Hauptstadt präsentierte die Brüsseler EU-Kommission Mitte November Vorschläge für ein neues Waffenrecht. Am Donnerstag dieser Woche werden die Staats- und Regierungschefs der EU über das Maßnahmenpaket debattieren. Und auch in deren Reihen gibt es erhebliche Zweifel daran, ob die EU-Behörde nicht deutlich übers Ziel hinaus geschossen ist.

Zwar betonen Interessenvertreter wie der Deutsche Schützenbund in einer durchaus ausgewogenen Stellungnahme, man unterstütze eine "wirksame Bekämpfung des illegalen Waffen- und Sprengstoffhandels", reiner "Aktionismus" werde abgelehnt. Vor allem aber wehrt man sich gegen eine "Gleichsetzung von Sportschützen und Terroristen ". Nur wenig anders klingt das beim "Forum Waffenrecht": "In dem Kommissionspapier werden in unzulässiger Weise legale Waffen und rechtmäßiger Waffenhandel mit illegalen Waffen und kriminellem Handel gleichgesetzt."

Dabei sind einige Vorstöße aus Brüssel auch bei den deutschen Verbänden unumstritten. So könnte eine EU-weit einheitliche Kennzeichnung für Feuerwaffen ebenso hilfreich sein wie eine verbesserte Zusammenarbeit der Behörden in den Mitgliedstaaten. "Wenn ein deutscher Waffenhändler ungehindert Sturmgewehre nach Paris liefern kann, dann zeigt dies, dass die Zusammenarbeit der Behörden in Europa noch stark verbesserungswürdig ist", meinte auch die SPD-Europa-Abgeordnete Evelyne Gebhardt , die das Thema im Binnenmarkt-Ausschuss des EU-Parlamentes für die Sozialdemokraten betreut. Ihr christdemokratischer Kollege, Andreas Schwab (CDU ), sieht ebenfalls "die wesentlichen Elemente richtig gewählt, auch wenn man da noch einiges begradigen muss".

Tatsächlich gebe es, so Experten und Abgeordnete wie Schwab, im übrigen Paket Ungereimtheiten. So sieht die EU-Kommission eine zeitliche Beschränkung der Erlaubnis zum Waffenbesitz von fünf Jahren vor - und greift damit in Deutschland in die Zuständigkeit der Länder ein. Medizinische Unterssuchungen für einen Berechtigungsschein finden schon heute statt. Vor allem Sportschützen wehren sich gegen eine Bestimmung, die halbautomatische Waffen verbieten würde, wenn diese "wie Kriegswaffen aussehen" - eine unsinnige und rechtlich zweifelhafte Formulierung, sagen Juristen. Massive Kritik gibt es an dem zentralen Vorschlag der EU-Verwaltung, funktionsunfähig gemachte Waffen künftig zu registrieren, da Terroristen diese wieder in Betrieb nehmen könnten. Das, so heißt es beim Schützenbund, ist nach deutschen Vorschriften gar nicht möglich.

Auch der Umbau von Gas- und Schreckschuss-Pistolen in scharfe Waffen sei zumindest bei in Deutschland gebauten und zertifizierten Schussgeräten nicht möglich. Das geplante Verbot des Handels von Schusswaffen und deren Einzelteilen via Internet rügen die Fachverbände , weil dort bereits heute die gleichen Kontroll- und Sicherheitsbestimmungen wie in normalen Geschäften gelten. Dem hält Brüssels Binnenmarkt-Kommissarin Elzbieta Bienkowska allerdings das Beispiel des Überfalls im Thalys-Zug von Amsterdam nach Paris am 21. August entgegen: "Wir wissen, dass bei den Angriffen Waffenteile im Internet gekauft wurden." Deshalb müsse es auch für Online-Verkäufe und Waffensammler rigorose Vorschriften geben.

Noch ist unklar, wie sich am Ende die Vertreter der Mitgliedstaaten und die Parlamentarier entscheiden. Der slowakische Präsident Robert Fico hat eine Verschärfung des Waffenrechtes bereits abgelehnt, in der Volksvertretung dürfte sich dagegen eine Mehrheit für die Kommissionsvorschläge anbahnen. Allerdings wollen viele Abgeordnete zumindest eine Regel wieder streichen: Die Kommission hatte vorgeschlagen, auch Notsignal-Geräte für Wassersportler sowie Startpistolen für athletische Wettkämpfe unter schärfere Kontrollen zu stellen. Das sei "maßlos übertrieben", hieß es gestern aus Brüssel .

Meinung:

Die EU muss handeln

Von Detlef Drewes

Der Streit um das EU-Waffenrecht hat nichts mit der amerikanischen Diskussion zu tun. Innerhalb der Union gibt es bereits ein hohes Niveau an Kontroll- und Schutzbestimmungen - wenngleich diese auch noch nicht so harmonisiert wurden, dass alle Lücken geschlossen sind. Die jüngsten Vorschläge zu weiteren Auflagen wurden nicht erst nach Paris erarbeitet. Sie sind schon im ein Jahr alten Entwurf der EU-Sicherheitsagenda enthalten. Doch nun will Brüssel endlich den Waffenhandel via Internet verbieten, den Schusswaffen-Besitz von Privatpersonen einschränken. Da mag aus Sicht der Sportschützen, der Schützenverbände sowie der Jäger durchaus Überzogenes dabei sein. Dennoch gehört alles auf den Tisch, was den Zugang zu Feuerwaffen sicherer machen könnte. Darunter möglicherweise auch lästige Regelungen, wie die Einschränkung der privaten Aufbewahrung von Vereinswaffen. Auch wenn die Fachverbände mit ihren Einwänden in vielen Punkten Recht haben - der Überfall auf den Thalys-Zug zeigt: Der Angreifer hatte aus dem Internet bestellte Waffenteile zusammengebaut. Das darf nicht möglich sein. Solche Defizite müssen beseitigt werden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort