Scharfe Worte statt scharfer Waffen

Brüssel. Kein Säbelrasseln, keine Drohungen, aber eine massive Kritik: Die Nato hat sich gestern demonstrativ hinter Ankara gestellt und den Abschuss einer türkischen Militär-Jets durch die syrische Luftabwehr scharf attackiert

Brüssel. Kein Säbelrasseln, keine Drohungen, aber eine massive Kritik: Die Nato hat sich gestern demonstrativ hinter Ankara gestellt und den Abschuss einer türkischen Militär-Jets durch die syrische Luftabwehr scharf attackiert. "Wir verurteilen das in schärfster Weise", sagte der Generalsekretär der Allianz, Anders Fogh Rasmussen, nach einer Dringlichkeitssitzung der 28 Botschafter aus den Mitgliedstaaten. Er erwarte, dass Syrien nun alle Maßnahmen ergreife, "um so etwas in Zukunft zu verhindern".Die wirklich scharfen Töne überließ das Bündnis dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Der drohte Damaskus offen damit, Grenzverletzungen durch syrische Soldaten oder Einheiten künftig als "feindlichen Akt" anzusehen und entsprechend "zu beantworten". Die Einsatzregeln der türkischen Streitkräfte seien entsprechend geändert worden. "Die Türkei unterstützt das syrische Volk mit allen nötigen Mitteln, bis es von Unterdrückung, Massakern, diesem blutdürstigen Diktator und seiner Clique befreit ist", kündigte Erdogan erstmals unverblümt in Ankara an.

Dennoch standen die Zeichen gestern auf Entspannung. Vom sogenannten Bündnisfall nach Artikel 5 des Nordatlantikvertrages, der gegenseitigen Beistand auslösen würde, wollte niemand etwas wissen. Von Krieg habe auch kein Nato-Botschafter gesprochen, hieß es aus Teilnehmerkreisen. "Aber das sollte niemand mit Weichheit oder Schwäche verwechseln", ergänzte ein Mitglied des militärischen Hauptquartiers. "Wir sind auf alles vorbereitet." Rasmussen selbst hatte angekündigt, man werde "die Lage beobachten und nötigenfalls beraten, was sonst noch getan werden könnte". Denkbar wäre eine verstärkte Präsenz von Nato-Einheiten im Mittelmeer, eine konsequentere Überwachung der syrischen Grenze. "Wir spielen einiges durch, das klar macht, wo wir stehen", hieß es aus Teilnehmerkreisen. Aber für "mehr als Gedankenspiele" gebe es derzeit keinen Grund.

Bisher bemühte sich die Allianz, jeden Anschein von Eskalation zu vermeiden. Und deshalb auch peinlich genau darauf zu achten, sich nicht von Damaskus zu militärischen Aktionen provozieren zu lassen. Das gilt umso mehr, als es auch gestern im Nato-Rat noch keine wirklich endgültige Klarheit über die Details des Abschusses gab. Das Wrack der türkischen Phantom-Maschine liegt in über 1000 Metern Tiefe vor der syrischen Küste. Eine Bergung scheint derzeit ausgeschlossen. Die Darstellungen über den Ablauf des Zwischenfalls weichen bis zur Unerklärbarkeit voneinander ab. Türkische und syrische Informationen sind definitiv nicht zusammen zubringen. Da könnte die Nato durchaus helfen, schließlich gehört die türkisch-syrische Grenzregion zu den Gebieten, die von den Awacs-Luftaufklärern nahezu rund um die Uhr überwacht werden. Man könnte also durchaus Klarheit schaffen, hieß es in Brüssel. Aber es gebe "derzeit keinen Grund", den Informationen des Mitglieds Türkei "nicht vollen Glauben zu schenken".Foto: Altan/afp

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