"Schandfleck" Guantánamo bleibt

Washington. Eigentlich erstaunlich: Die Nachricht, dass das Gefangenlager Guantánamo doch nicht geschlossen wird, lässt die Amerikaner kalt. Keine Schlagzeile, keine Empörung - es scheint, als habe sich das Land längst daran gewöhnt

Washington. Eigentlich erstaunlich: Die Nachricht, dass das Gefangenlager Guantánamo doch nicht geschlossen wird, lässt die Amerikaner kalt. Keine Schlagzeile, keine Empörung - es scheint, als habe sich das Land längst daran gewöhnt. Er sehe "offen gestanden die Aussichten, dass Guantánamo geschlossen wird, bestenfalls als sehr, sehr gering", gab Verteidigungsminister Robert Gates vor einem Kongressausschuss zu Protokoll. So offen hatte das noch niemand zugegeben. Eine Schlappe für Barack Obama (Foto: dpa) - aber keine, die ihm die Amerikaner übel anrechnen.Obama hat es gut gemeint. Doch tatsächlich hat sich der US-Präsident bei kaum einem Thema derart verkalkuliert wie bei Guantánamo. Schon im Wahlkampf hatte er vollmundig das rasche Aus für das weltweit geächtete Lager verkündet. Zwei Tage nach Amtsbeginn, am 22. Januar 2009, unterschrieb er die Anordnung, den "Schandfleck" innerhalb eines Jahres zu beseitigen. Die Botschaft war medienwirksam und symbolträchtig: Die dunklen Zeiten der Bush-Regierung sind vorbei.

Doch tatsächlich hat Obama die Sache schlecht vorbereitet. Als es an die Einlösung des Versprechens ging, biss er sich die Zähne aus. Der Kongress legte sich quer, Terrorverdächtigte aus der Kuba-Enklave in Gefängnissen auf dem Festland unterzubringen. Und andere Länder, darunter Deutschland, waren nicht sonderlich begeistert, Guantánamo-Insassen aufzunehmen.

Die Idee, Terrorverdächtige ausgerechnet auf einem US-Militärstützpunkt in Kuba zu inhaftieren und den Prozess zu machen, kam George W. Bush. Die Idee ist raffiniert und simpel: Die Regierung wollte die mutmaßlichen Al-Qaida-Kämpfer und Taliban selbst verurteilen, ihnen aber nicht die üblichen Rechte der US-Justiz zugestehen. Doch in Wirklichkeit lief fast alles schief. Immer häufiger mischten sich amerikanische Gerichte ein, Berichte über Folter lösten Entsetzen aus.

Zwar ließ der Präsident in den vergangenen Wochen und Monaten durchsickern, er halte am Ziel der Schließung fest - aber vorsichtshalber vermeidet er es, ein konkretes Datum zu nennen. 172 Insassen sitzen nach wie vor ein. In Wirklichkeit versandet das Thema zusehends: kein echtes Interesse vorhanden. dpa

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