„Sauberer“ Krieg mit hunderttausenden Opfern

Washington · Es flimmerte grünlich, es brannte und es blitzte. Die mediale Inszenierung des Kuwait-Feldzuges vor 25 Jahren setzte nicht unumstrittene Maßstäbe für die Kriegsberichterstattung. Das Problem des Irak ist bis heute nicht gelöst.

Saddam Hussein hatte die "Mutter aller Schlachten" ausgerufen. Es wurde der Anfang seines Endes. Für den Rest der Welt wurde die militärische Befreiung Kuwaits, die am 16. Januar 1991 begann, zum ersten großen Krieg für eine ganze Generation - medial mit einer solchen Wucht in die Wohnzimmer vermittelt, dass die Spuren bis heute nicht gewichen sind.

Die Kriegsrhetorik von damals rund um "chirurgische Angriffe" mit Präzisionsbomben und Lenk raketen hallt noch heute in den Ohren. Die grünlich schimmernden Live-Fernsehbilder nächtlicher Bombardements und brennende Ölfelder als Motive sind auch nach einem Vierteljahrhundert nicht vergessen. Politisch kam der Irak nie mehr auf die Beine. Wichtige Elemente des ersten großen Medien-Krieges:

Der Kriegsgrund: Saddam Hussein regierte einen vom acht Jahre währenden Krieg gegen den Iran geschwächten und hoch verschuldeten Irak. Kuwait warf er vor, irakische Ölquellen an der Grenze anzubohren und durch Überschreiten seiner Quote den Ölpreis zu drücken. Obwohl das extrem ölreiche Emirat nie zum Irak gehörte, beanspruchte Bagdad die ehemals britische Kolonie und marschierte im Nachbarland ein. Damit nahm der Irak nicht nur das Öl an sich, sondern de facto auch milliardenschwere Beteiligungen des kuwaitischen Staates an westlichen Unternehmen. Saddam ließ alle Ultimaten des Westens zum Rückzug verstreichen und hielt sich nicht an UN-Resolutionen. US-Präsident George Bush erklärte dem Irak nach Saddams Besetzung von Kuwait den Krieg: "Die Welt kann nicht länger warten."

Die Koalition: Von den USA geführt, gehörten dem Anti-Saddam-Bündnis 34 Nationen an, darunter Länder wie Saudi-Arabien oder Syrien. Nach den USA stellten Großbritannien und Saudi-Arabien die größten Truppenteile, insgesamt wurden fast eine Millionen Soldaten eingesetzt. Erstmals in der Moderne führten damit auch arabische Länder gegeneinander Krieg. Deutschland beteiligte sich militärisch nicht, übernahm aber mehr als 15 Prozent der Kriegskosten, knapp 17 Milliarden Mark.

Der Kriegsverlauf: In der ersten Kriegsnacht zerstören Kampfflugzeuge fast die gesamte Luftabwehr des Irak. US-Offiziere stellen den Krieg als "sauber" dar, präsentieren Bilder aus den Zielkameras der Kampfjets, die präzise Treffer mit nur wenigen Opfern suggerieren. Aber nur ein kleiner Teil der Bomben sind Lenkwaffen. Außerdem gibt es Irrtümer. Im Bagdader Stadtteil Amiriya werfen US-Jets Lenkbomben auf ein Ziel, das sie für einen Führungsstand halten. Es ist aber ein Luftschutzbunker, in dem Zivilisten Schutz gesucht haben. 400 Menschen sterben. Zudem nimmt die Koalition die Infrastruktur unter Feuer. Die Energie- und Trinkwasserversorgung bricht zusammen. Der Irak sei in ein "vorindustrielles Zeitalter" zurückgebombt worden, kritisiert der spätere Friedensnobelpreisträger Martti Ahtisaari.

Am 24. Februar beginnt die Bodenoffensive der Koalition. Zwei Tage darauf zieht Hussein seine Truppen aus Kuwait zurück. Auf der Verbindungsstraße ins südirakische Basra stauen sich Panzer. US-Kampfflugzeuge bombardieren den Konvoi, auf dem "highway of death" sterben zehntausende Iraker. Wahrscheinlich verliert der Irak im gesamten Krieg rund 75 000 Soldaten , die Koalition etwa 400. Hinzu kommen geschätzt 40 000 tote Zivilisten. Durch mangelnde Versorgung und Krankheiten sterben nach dem Krieg noch einmal eine halbe bis anderthalb Millionen Iraker. Am Ende des Kriegs ist der Himmel über Kuwait rußschwarz. Irakische Soldaten haben vor ihrem Rückzug etwa 700 Ölquellen angezündet. Außerdem haben sie die Hähne an mehreren Ölterminals geöffnet. Geschätzt eine Milliarde Liter Öl fließen in den Persischen Golf.

Die Medien: Der Krieg gegen Saddam hatte einen sogenannten CNN-Faktor. Der damals noch eher kleine US-Sender wurde durch seine Kriegsberichterstattung weltbekannt - auch wenn sie in großen Teilen vom Pentagon gelenkt und der Militärzensur unterworfen war. Deutsche Zeitungen machten ihre Leser damals noch darauf aufmerksam, dass die Informationen des US-Militärs einseitig sein können.

Die Öffentlichkeit: In vielen westlichen Ländern demonstrierten Hunderttausende Menschen gegen den ihrer Ansicht nach unnötigen und von wirtschaftlichen Interessen geleiteten Krieg. "Kein Blut für Öl" war einer der Slogans, der auf Schweigemärschen durch deutsche Innenstädte auf Transparenten zu lesen war. In den USA formierte sich ebenfalls eine lautstarke Fraktion von Kriegsgegnern.

Die Kriegsfolgen: Die Alliierten hinterließen nach ihrem Abzug am 28. Februar einen zerstörten Irak - das Land erholte sich bis heute nicht. 2003 marschierte eine US-geführte Koalition erneut ein, setzte Hussein ab und zerschlug das politische System. Auch in den USA und Großbritannien wird das heute als schwerer Fehler gesehen. Im Nachkriegschaos entwickelten sich religiös motivierte Turbulenzen, die Fanatiker der Terrormiliz IS fanden fruchtbaren Boden.

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