"Sanktionen gegen Assad reichen nicht mehr"

Berlin. Die Gewalt in Syrien spitzt sich unaufhörlich zu. Gestern forderten Vertreter von Oppositionsgruppen bei einem gemeinsamen Auftritt vor der Bundespressekonferenz in Berlin erstmals, dass alle EU-Staaten ihre Botschafter aus Damaskus abziehen sollten. Zudem verlangten sie die Errichtung einer Flugverbotszone über ganz Syrien sowie einer Sicherheitszone entlang der Grenze zur Türkei

Berlin. Die Gewalt in Syrien spitzt sich unaufhörlich zu. Gestern forderten Vertreter von Oppositionsgruppen bei einem gemeinsamen Auftritt vor der Bundespressekonferenz in Berlin erstmals, dass alle EU-Staaten ihre Botschafter aus Damaskus abziehen sollten. Zudem verlangten sie die Errichtung einer Flugverbotszone über ganz Syrien sowie einer Sicherheitszone entlang der Grenze zur Türkei. So solle Assads Truppen die Verfolgung von Flüchtlingen und desertierenden Soldaten erschwert werden. "Die Wirtschaftssanktionen waren richtig. Aber sie reichen jetzt angesichts des Blutvergießens nicht mehr", sagte Hozan Ibrahim, der dem Syrischen Nationalrat SNC angehört.Das ist der Dachverband aller Oppositionsgruppen. Die Zahl der Toten bewege sich inzwischen auf die 6000 zu, sagte er. Begleitet wurde Ibrahim unter anderem von Ferhad Ahma, ebenfalls Mitglied des Nationalrates, der in Deutschland im Exil lebt. Ahma war am zweiten Weihnachtstag in seiner Berliner Wohnung von Unbekannten überfallen und zusammengeschlagen worden - seiner Einschätzung nach von Schergen Assads. "Solche Einschüchterungsversuche im Ausland werden weitergehen, so lange das Regime seine Existenz in Gefahr sieht", sagte Ahma.

Im Außenministerium hielt man sich sehr bedeckt. Zwar hat Minister Guido Westerwelle (FDP) vor einem Monat den Vorsitzenden des Nationalrates, Burhan Ghalioun, in seinem Amt empfangen, was Ibrahim, der dabei war, als "faktische Anerkennung" empfand, doch bleibt Botschafter Andreas Reinicke in Damaskus präsent.

Berlin hält die syrische Widerstandsbewegung immer noch für stark zersplittert. Hauptgrund für die Zurückhaltung aber ist, dass Deutschland zwei diplomatische Türen nicht zuschlagen will, von denen es sich mehr erhofft. Das ist zum einen die Unterstützung der Arabischen Liga, die zum ersten Mal überhaupt gegen einen Despoten aus ihren Reihen aktiv vorgeht: mit Sanktionen, einer Suspendierung der Mitgliedschaft Syriens und mit einer Beobachtermission vor Ort. Zwar wird diese Beobachtermission von den Oppositionellen als Witz betrachtet, weil das Morden fast unvermindert weiter gegangen ist, doch hat die Arabische Liga auf die deutliche Kritik reagiert. Übermorgen will sie eine erste Bilanz ziehen und den Einsatz danach wahrscheinlich effektiver gestalten.

Zum anderen bemüht sich Deutschland im UN-Sicherheitsrat, dessen Mitglied es ist, weiter intensiv um eine Resolution, die Präsident Assad zu einem Ende der Gewalt auffordert. Mehr sei derzeit nicht durchsetzbar. Intensiv sind derzeit auch die Berliner Kontakte zur Türkei, das als "Schlüsselland" zur Lösung der Krise angesehen wird.

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