Sammelbecken für Euro-Gegner

Berlin. Noch nehmen die bürgerlichen Parteien die neue Konkurrenz nicht recht ernst. Offiziell wollten Union und FDP gestern den Beschluss der Freien Wähler, bei der Bundestagswahl im nächsten Jahr gegen sie anzutreten, nicht bewerten

Berlin. Noch nehmen die bürgerlichen Parteien die neue Konkurrenz nicht recht ernst. Offiziell wollten Union und FDP gestern den Beschluss der Freien Wähler, bei der Bundestagswahl im nächsten Jahr gegen sie anzutreten, nicht bewerten. Hinter vorgehaltener Hand konnte man freilich hören, wenn die Krise in Deutschland richtig ankomme, dann könne diese Kandidatur "der Funke am Heuhaufen" sein. Und dass man die Sorgen der Menschen sehr ernst nehmen müsse. Die stark von ihrem 41-jährigen Vorsitzenden Hubert Aiwanger aus Bayern geprägte Gruppe setzt nämlich voll auf eine Kampagne gegen die Euro-Rettungsschirme und für den Austritt der Krisenländer aus der gemeinsamen Währung.Aiwanger sammelt die Eurogegner aller Schattierungen um sich. Vor einem halben Jahr noch saß nur Hans-Olaf Henkel, der frühere Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), bei einem Auftritt vor der Bundespressekonferenz in Berlin an Aiwangers Seite. Gestern kamen noch vier weitere Vertreter von bundesweiten Anti-Euro-Initiativen dazu. Darunter der Präsident des bayerischen und zugleich des europäischen Bundes der Steuerzahler, Rolf Baron von Hohenhau. Wichtigster Neuzugang aber ist Stephan Werhahn, Unternehmer und Enkel Konrad Adenauers, des ersten Kanzlers der CDU. Wehrhahn ist nach 40 Jahren Mitgliedschaft bei den Christdemokraten zu den Freien Wählern übergetreten.

Sein Auftritt zeigte: Aiwanger zielt direkt auf enttäuschte Wähler von CDU und FDP. Der Landwirt aus Niederbayern sieht seine Partei als "dritte bürgerliche Kraft", wie er auf Anfrage sagte. Am Wochenende sprachen sich die Freien Wähler bei einer Bundesmitgliederversammlung" im unterfränkischen Geiselwind mit großer Mehrheit für die Bundestagskandidatur im nächsten Jahr aus. Zugleich verabschiedeten sie "Eckpunkte" für ein Grundsatzprogramm. Darunter Forderungen wie die nach einer "bundeseinheitlichen Bildungspolitik", nach "gesunden Lebensmitteln statt Gentechnik" und nach einer Abschaffung der Praxisgebühr. Aiwanger: "Wir sind der politische Arm der vernünftigen Menschen in Deutschland."

Der Arm lahmt freilich noch etwas. So stammten in Geiselwind zwei Drittel der Delegierten aus Bayern, wie Aiwanger einräumte. Im Freistaat sitzt die Partei mit 10,2 Prozent im Landtag; Aiwanger führt die Fraktion an. Anderswo sieht es düster aus. 0,0 Prozent bei den Erststimmen, 0,1 Prozent bei den Zweistimmen, das war das Ergebnis in Nordrhein-Westfalen. Bei den Urnengängen in Schleswig-Holstein und Saarland war es ähnlich. Das seien alles vorgezogene Landtagswahlen gewesen, man habe nicht schnell genug Kandidaten aufstellen können, entschuldigte Aiwanger die Pleiten. "Aber das wird zur Bundestagswahl anders." Zu den Problemen gehört freilich auch, dass die Freien Wähler in ihrer zweiten Hochburg, Baden-Württemberg, gar nicht zur Bundestagswahl antreten wollen, nicht einmal zu Landtagswahlen. Sie wollen dort weiterhin nur lokale Wählerinitiativen bleiben. Die angestammten Freien Wähler werfen der Organisation Namensmissbrauch vor. Aiwanger ficht das nicht an: Am Ende brauche man für den bundesweiten Antritt nur einen Kandidaten in jedem Wahlkreis oder einige Dutzend in jedem Bundesland für eine Landesliste. Das schaffe man locker. kolFoto: dpa

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