Säbelrasseln im Gazastreifen
Es ist ein Schlag mitten ins Nervenzentrum der radikal-islamischen Hamas: Israel hat mit Militärchef Ahmed al-Dschabari den ranghöchsten Führer der im Gazastreifen herrschenden Organisation getötet. Tausende Palästinenser versammelten sich gestern in Gaza beim Begräbnis des einflussreichen Mannes, den Israel als "Generalstabschef" der Hamas beschrieb
Es ist ein Schlag mitten ins Nervenzentrum der radikal-islamischen Hamas: Israel hat mit Militärchef Ahmed al-Dschabari den ranghöchsten Führer der im Gazastreifen herrschenden Organisation getötet. Tausende Palästinenser versammelten sich gestern in Gaza beim Begräbnis des einflussreichen Mannes, den Israel als "Generalstabschef" der Hamas beschrieb.Bewaffnete Männer feuerten Salven in die Luft, Trauernde schworen Israel Rache, während sie Al-Dschabaris Leiche durch die Straßen Gazas trugen. "Wir werden den Widerstand nicht aufgeben", gelobte Al-Dschabaris 20 Jahre alter Sohn Muas. Der Tod seines Vaters werde die Kassam-Brigaden nicht zerstören. "Wir werden weiter Gewehre tragen und seiner Botschaft folgen."
Zuletzt hatte Israel im Frühling 2004 den Hamas-Gründer Scheich Ahmed Jassin und dessen Nachfolger Abdelasis al-Rantisi getötet. Die Botschaft des neuen, sorgfältig vorbereiteten Luftangriffs auf Al-Dschabari ist klar: Israel ist nicht länger bereit, seine Bevölkerung der Willkür militanter Palästinenser auszusetzen und will die ständigen Raketenangriffe aus dem Gazastreifen mit allen Mitteln stoppen.
Klares Ziel der neuen Militäroperation "Säule der Verteidigung" ist es, die Hamas-Führung einzuschüchtern, damit diese die Raketenangriffe auf Israel stoppt. Mitglieder der politischen Führungsriege der Hamas, wie der ehemalige Ministerpräsident Ismail Hanija, sollten sich nirgendwo mehr in Sicherheit wähnen, drohte Transportminister Israel Katz von der regierenden Likud-Partei gestern. "Wenn es sein muss, werden wir sie jagen wie wilde Tiere", sagte er bei der Besichtigung eines durch Raketenbeschuss schwerbeschädigten Wohnhauses in Kiriat Malachi. Dort starben drei Menschen, zwei Frauen und ein Mann.
Kurz nach dem tödlichen Schlag gegen Al-Dschabari und dessen Leibwächter griff die Luftwaffe zahlreiche Waffenlager im Gazastreifen an, in denen nach israelischen Angaben Raketen des Typs "Fajr" gelagert waren. Sie stammten aus dem Iran und hätten eine Reichweite von etwa 75 Kilometern - damit könnten sie auch die Mittelmeermetropole Tel Aviv erreichen, bisher eine klare rote Linie im jahrelangen Kleinkrieg zwischen Israel und der Hamas.
Zivilverteidigungsminister Avi Dichter sagte aber, die Offensive werde vermutlich lange dauern, weil Hamas noch über viele Waffenlager verfüge. Al-Dschabari habe den militärischen Flügel der seit mehr als fünf Jahren allein im Gazastreifen herrschenden Hamas "von einer Ansammlung kleiner, isolierter Terrorzellen in eine geordnete Miliz verwandelt, die sehr fortschrittliche Waffen in ihrem Arsenal hat", schrieb ein Kommentator der israelischen Zeitung "Maariv".
Das israelische Militär hat schon begonnen, Reservisten für eine mögliche Bodenoffensive einzuberufen. Die israelische Zeitung "Haaretz" schrieb bereits vom "ersten Krieg des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu". Kritiker verwiesen darauf, dass auch beim letzten Gazakrieg, der vor vier Jahren begann, israelische Parlamentswahlen bevorstanden.
Doch eine Wiederholung des damaligen Gaza-Feldzugs birgt auch für Israel große Risiken. Neben Verlusten im Kampf besteht auch die Gefahr, die Hamas könnte ihre blutigen Selbstmordanschläge in Israel wieder aufnehmen. Außerdem hat sich die politische Großwetterlage in Nahost seit dem letzten Gazakrieg geändert: Die neue ägyptische Führung steht heute an der Seite der Hamas, Israel könnte mit einer blutigen Offensive im Gazastreifen die diplomatischen Beziehungen mit dem arabischen Nachbarland aufs Spiel setzen.