Russland bombardiert nicht nur den IS

Moskau/Damaskus · Wen treffen die russischen Angriffe in Syrien? Die Terroristen vom Islamischen Staat oder andere Rebellen-Gruppen? Die russischen Luftangriffe verschärfen die Konfrontation mit dem Westen.

Trotz massiver Kritik aus dem Westen haben russische Kampfjets weitere Ziele in Syrien bombardiert. Russland wies Vorwürfe von sich, die Attacken hätten auch gemäßigten Rebellen gegolten. Das russische Militär greife aber nicht nur die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) an, sondern auch andere Gruppen, räumte Kremlsprecher Dmitri Peskow gestern in Moskau ein. Es gebe eine Liste mit Organisationen, die bekämpft werden sollen. Konkrete Namen nannte er nicht.

Die Syrien-Krise wird absehbar auch beim Treffen von Kanzlerin Angela Merkel und Kremlchef Wladimir Putin am Freitag eine Rolle spielen. Die USA werfen Russland vor, bei ihren ersten Luftangriffen auch Positionen bombardiert zu haben, wo keine IS-Kämpfer gewesen seien. Scharfe Kritik äußerte auch die syrische Opposition. Russland spalte das Land, teilte der Syrische Nationalrat mit.

Kremlchef Putin bezeichnete westliche Berichte über den Tod von Zivilisten bei den russischen Attacken als feindliche Propaganda. "Die ersten Informationen darüber waren schon aufgekommen, bevor unsere Kampfflieger in den Himmel gestiegen waren", sagte der Präsident. Ins Visier genommen würden nur Stellungen von "Terroristen ", betonte Außenminister Sergej Lawrow .

Lawrow kündigte Gespräche mit den USA über das weitere Vorgehen an. Putin sagte, er hoffe auf einen Austausch von geheimdienstlichen Daten mit Washington. Auch die US-geführte Koalition setzt ihre vor gut einem Jahr begonnenen Luftangriffe gegen den IS fort. Der Russlandbeauftragte der Bundesregierung, Gernot Erler , sagte im ZDF-"Morgenmagazin", es müsse verhindert werden, dass sich Moskau und Washington in Syrien in die Quere kämen.

Russische Kampfjets und Hubschrauber flogen am Donnerstag den zweiten Tag in Folge Angriffe in Syrien. Putin hatte am Mittwoch auf Bitten der syrischen Führung die Luftangriffe befohlen. Laut russischem Verteidigungsministerium hat Russland mehr als 50 Flugzeuge und Militärhubschrauber in Syrien stationiert.

Meinung:

Gefährlicher Bruch

Von SZ-Mitarbeiter Friedemann Diederichs

Die Aufnahmen aus Syrien, die Informationen der US-Regierung und Worte aus Moskau lassen keinen anderen Schluss zu: Russland mag bei seinen ersten Bombenangriffen in Syrien zwar auch Ziele des IS ins Visier genommen haben - doch hat es ebenfalls von den USA geförderte Widerstandskämpfer attackiert, die gegen Putins Busenfreund Assad kämpfen. Dies gibt dem Konflikt in Syrien eine neue Dimension. Zum einen dürfte die Flüchtlingswelle in Richtung Europa anschwellen. Zum anderen zeigt sich hier ein gefährlicher Bruch zwischen den USA und Russland als Folge eines eiskalt kalkulierten Affronts von Putin.

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