Rousseff droht nun doch das Ende

Rio de Janeiro · Brasília erlebt Tage, die in die Geschichte eingehen werden. Noch diese Woche könnte Präsidentin Rousseff suspendiert werden. Vizepräsident Temer schmiedet bereits das neue Kabinett.

 Dilma Rousseff hat sich lange gewehrt, nun scheint ihre Karriere am Ende. Foto: Bizerra/dpa

Dilma Rousseff hat sich lange gewehrt, nun scheint ihre Karriere am Ende. Foto: Bizerra/dpa

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Eine erneute Wendung im brasilianischen Politdrama rückt die Amtsenthebung von Präsidentin Dilma Rousseff in greifbare Nähe. Der Interimspräsident des Parlaments, Waldir Maranhão, ruderte gestern zurück und ebnete den Weg für eine Senatsabstimmung über die Zukunft von Rousseff an diesem Mittwoch, wie die Zeitung "O Globo" berichtete. Am Montag hatte Maranhão noch die Zustimmung des Parlaments zum Verfahren gegen Rousseff kassiert.

Senatspräsident Renan Calheiros hatte daraufhin angekündigt, dennoch an der geplanten Abstimmung über die Amtsenthebung festzuhalten. Er riskierte damit einen Konflikt zwischen beiden Parlamentskammern.

Aufgrund einer schweren Wirtschaftskrise und spektakulärer Korruptionsermittlungen steht die Mitte-Links-Regierung von Rousseff seit Monaten stark unter Druck. Ihre Absetzung für maximal 180 Tage und die Übernahme des höchsten Staatsamtes durch ihren Widersacher und Vizepräsident Michel Temer gilt als sehr wahrscheinlich. In diesen sechs Monaten würde der Senat unter Leitung des Obersten Gerichts erneut die Vorwürfe prüfen, bevor er die endgültige Entscheidung fällt. Für eine Amtsenthebung ist eine Zweidrittelmehrheit nötig. Rousseff werden Regelverstöße beim Umgang mit Staatsgeldern und Buchhaltungstricks im Staatshaushalt vorgeworfen. Sollten 41 der 81 Senatoren heute für die formale Einleitung des Amtsenthebungsverfahrens stimmen, wäre die erste Frau im höchsten Staatsamt abgesetzt. Temer plant, sofort eine neue Regierung ohne Rousseffs Arbeiterpartei PT zu bilden und zimmert bereits ein Kabinett .

Die Initiative von Maranhão führte in der Hauptstadt Brasilia zu hektischem Betrieb hinter den Kulissen. Der Interimspräsident machte geltend, dass die Abgeordneten voreingenommen gehandelt hätten und Rousseffs Recht auf Verteidigung verletzt worden sei. Maranhão übernahm das Amt, nachdem sein Vorgänger, der entschiedene Rousseff-Gegner Eduardo Cunha, Anfang Mai vom Obersten Gerichtshof wegen Korruptionsvorwürfen abgesetzt wurde.

Gestern kam es in vielen Städten zu Demonstrationen gegen die drohende Amtsenthebung Rousseffs. Der Gewerkschaftsdachverband CUT und soziale Bewegungen wie die der Landlosen riefen zu den Protesten auf. Rousseff bezeichnet das Verfahren als Staatsstreich. Ihr wichtigster Koalitionspartner PMDB, dem Vizepräsident Temer und der vom Amt suspendierte Cunha angehören, hatte die Koalition im März verlassen. Hintergrund des Machtkampfs ist neben der Wirtschaftskrise ein Korruptionsskandal um den halbstaatlichen Ölkonzern Petrobras .

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