Roboter holen immer mehr auf zum Menschen „Roboter können jetzt auch schon Gefühle erkennen“

Was der Chef des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz Maschinen zutraut

 In den nächsten 50 bis 100 Jahren wird der Roboter noch nicht über die gleiche Intelligenz verfügen wie ein Mensch, glaubt Wolfgang Wahlster, Chef des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Saarbrücken.

In den nächsten 50 bis 100 Jahren wird der Roboter noch nicht über die gleiche Intelligenz verfügen wie ein Mensch, glaubt Wolfgang Wahlster, Chef des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Saarbrücken.

Foto: Iris Maria Maurer

Schön, Sie heute persönlich zu treffen. Könnte es sein, dass in Zukunft einmal ein Roboter an meiner Stelle hier sitzt und ein Gespräch mit Ihnen führt?

WAHLSTER Ja, durchaus. Roboter helfen dem Menschen künftig nicht nur bei der körperlichen Arbeit, sondern auch bei geistiger Arbeit als reine Software-Roboter. Die Forschung im Bereich der Künstlichen Intelligenz ist schon so weit, dass Sprachdialogsysteme große Fortschritte machen. Ein Roboter kann heute Ihre Worte und Sätze analysieren, längere Gespräche führen und sogar über einfache Themen mit Ihnen kommunizieren. Aber ich kann Sie beruhigen: Tiefsinnige Gespräche wird er auch künftig nicht führen können.

Wie muss man sich ein Gespräch zwischen Roboter und Mensch vorstellen?

WAHLSTER Der Roboter wird systematisch trainiert. Er bekommt mit Hilfe der Künstlichen Intelligenz und ihrer Systeme immer mehr Fakten und Millionen von Sprachbeispielen beigebracht. Er kann Dialekte und Versprecher erkennen, Ihre Kommandos ausführen oder eine Frage beantworten. Er weiß im Verlauf eines Gespräches, was schon besprochen wurde. Und er kann eine Nachfrage stellen.

So weit sind wir schon?

WAHLSTER Ja. Die Systeme lernen und bauen sich ein umfangreiches digitales Wissen auf. Dazu nutzen sie zahlreiche Quellen, die auch dem Menschen zur Verfügung stehen: von Wikipedia über Zeitungen bis zu Nachrichtendiensten im Internet. Allerdings verfügen Roboter nicht über Wissen aus eigener Erfahrung. Noch nicht.

Was bedeutet das alles?

WAHLSTER Wir sind mittendrin in der zweiten Welle der Digitalisierung. Das bedeutet: Unsere neuesten Forschungsergebnisse ermöglichen, dass der Roboter jetzt auch Bilder und Videos versteht. Wir haben ihm Millionen von Bildern gezeigt und er weiß, was jeweils damit gemeint ist. Dank unserer Forschungen am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Saarbrücken können Roboter mittlerweile sogar erkennen, wie der Gesprächspartner drauf ist, welche Stimmung er gerade hat. Das sieht der Roboter an der Sprechweise, dem Gesichtsausdruck und der Körperhaltung. Der jüngste Fortschritt der Forschung besteht darin, dass ein Roboter auch Emotionen erkennen kann.

Das klingt etwas unheimlich und gleichzeitig wie Zauberei.

WAHLSTER Ist es aber nicht wirklich. Es gibt ja schon Systeme wie Siri, Alexa oder Google Home, die nach dieser Methode arbeiten. Ich selbst benutze täglich solche Systeme und bin auch etwas stolz darauf, dass wir viele der Grundlagen dafür hier am DFKI in Saarbrücken entwickelt haben. Ich kann mit der Stimme den Geräten Anweisungen geben, die sie ausführen. Man kann zum Beispiel festlegen, welche Temperatur die Heizung im Haus haben soll, fragen wie das Wetter wird oder dem Reinigungsroboter Aufgaben stellen, die er erledigen soll. Die Systeme verbessern sich laufend selbst, je mehr man mit ihnen kommuniziert.

Gibt es bald auch Service-Roboter für bestimmte Dienstleistungen?

WAHLSTER Ja, das wird zunächst in Banken und Versicherungen zu beobachten sein. Ein Roboter kann einfache Tätigkeiten übernehmen, zum Beispiel Bedingungen für eine einfache Geldanlage erläutern. Oder aufzeigen, welche Bedingungen für den Abschluss einer Versicherung gegeben sein müssen. Viele Berufe werden sich durch den Einsatz von Robotern verändern. Der Fortschritt in der Forschung ist schon so weit, dass auch mehrere Roboter untereinander in Teams arbeiten. Sie übernehmen unangenehme Aufgaben, die sonst ein Mensch erledigen müsste.

Können Sie Beispiele nennen?

WAHLSTER Wir haben solche Roboterteams aus Saarbrücken in der Katastrophenbekämpfung eingesetzt, zuletzt beim Erdbeben im italienischen Amatrice. Dort arbeitete ein Team von zwei Bodenrobotern und drei Flugrobotern zusammen, um das Ausmaß der Verwüstungen ohne Gefährdung der Rettungskräfte zu ermitteln. Das Roboterteam erkundete stark beschädigte Häuser oder Kirchen, um zu ermitteln, ob Einsturzgefahr besteht.

Wo können solche Roboterteams noch arbeiten?

WAHLSTER Der Rück- und Abbau stillgelegter Atomkraftwerke lässt sich nur mit Teams von Robotern gefahrlos erledigen. Ihnen droht bei der Entsorgung nuklear verseuchter Bauteile kein Krebs. Am wichtigsten ist die Kooperation von mehreren Robotern und Menschen aber künftig in Fabriken.

Wenn der Roboter immer mehr versteht, intelligenter wird und auch Emotionen begreift: wird er irgendwann so intelligent sein wie ein Mensch? Kann er dann auf einer Ebene mit ihm kommunizieren und reagieren?

WAHLSTER Ich bin Naturwissenschaftler. Es ist bislang kein Naturgesetz bekannt, aus dem man ableiten könnte: So etwas geht nicht. Die Frage ist aber, was wir wirklich brauchen, was wir erreichen wollen und verantworten können. Unser Motto am DFKI ist: Künstliche Intelligenz muss für den Menschen da sein, ihn unterstützen. Digitale Assistenzsysteme dürfen den Menschen auf keinen Fall kopieren oder gar überall ersetzen wollen. Bei den meisten Aufgaben ist der Mensch heute solchen Systemen eindeutig überlegen. Andererseits übertragen wir in der Informatik immer mehr Fähigkeiten des Menschen auf künstliche Systeme. Ich rechne nicht damit, dass Roboter in 50 bis 100 Jahren mit uns in allen Dimensionen der Intelligenz auf gleiche Augenhöhe kommen werden. Bedenken Sie: Solche Systeme arbeiten auf einer völlig anderen Basis wie der Mensch. Sie sind digitale Rechner und mechatronische Systeme, aber keine biologischen Wesen. Sie haben weder Hormone noch ein Immunsystem.

Science Fiction Autoren behaupten seit Jahrzehnten, dass Roboter eines Tages dazu in der Lage sein könnten, die Herrschaft über die Menschen zu übernehmen.

WAHLSTER Ich halte gar nichts von solchen Behauptungen. Wir müssen als Menschen alleine bestimmen, was Roboter und Systeme der künstlichen Intelligenz können sollen und wo wir diese einsetzen. Wir sollten nicht durch völlig unrealistische Horrorszenarien Ängste in der Zivilgesellschaft auslösen und so Technologiefeindlichkeit bewirken. Wir müssen stets die großen Chancen und die Risiken solcher Technologien gegeneinander abwägen. Da spielen auch ethische Fragen mit. Besonders der Angst des Kontrollverlustes, die viele Menschen haben und die in Science Fiction Romanen geschürt wird, müssen wir in der Forschung begegnen.

Die Automatisierung schreitet fort. Werden immer mehr Arbeitsplätze wegfallen?

WAHLSTER Es werden in der Summe keine Arbeitsplätze wegfallen. Ich selbst habe schon bei der Eröffnungsveranstaltung zur Hannover Messe im Jahr 2011 die vierte industrielle Revolution unter dem Begriff „Industrie 4.0“ in den Unternehmen ausgerufen. Wir können wieder mehr Produktion aus den Billiglohnländern nach Deutschland zurückholen, wenn wir auf Produkte setzen, die der Kunde möglichst rasch haben möchte.

Wie soll das funktionieren?

WAHLSTER Eine stärkere Zusammenarbeit von Robotern und Menschen bringt völlig neue Möglichkeiten in der Produktion mit sich. Nehmen Sie als Beispiel adidas. Die haben Sportschuhe lange Zeit nur noch in Asien produziert. Jetzt eröffnet adidas wieder Werke in Deutschland, weil Sportschuhe heute individuell geplant und produziert werden können: in vielen Größen, individuell für Menschen mit unterschiedlichsten Ansprüchen. Wir können Unikate zu Bedingungen einer Massenproduktion herstellen, was auch die Preise beeinflusst. Der Kunde plant seinen Wunschschuh am Computer inklusive Sohle und gewünschter Farbe. Im nächsten Schritt produzieren Facharbeiter den Wunschschuh in kürzester Zeit gemeinsam mit Robotern. In der Autoindustrie kann man das schon besonders gut sehen. Heute lassen sich viele Millionen Varianten eines Fahrzeug-Modells planen und hintereinander herstellen. Das läuft in einer Kooperation zwischen Mensch und Roboter ab. Und unter neuen Voraussetzungen.

Was meinen Sie damit?

WAHLSTER  Roboter stehen im Werk nicht mehr in geschützten Käfigen. Sie arbeiten nicht mehr isoliert vom Menschen, sondern stehen jetzt neben ihm und arbeiten mit ihm Hand in Hand. In zwei, drei Jahren werden wir auch im Saarland solche Fabriken sehen, in denen ganz selbstverständlich der Mensch dem Roboter bestimmte Einzelteile in die Hand gibt und umgekehrt.

Was wird denn aus den Menschen, die keine hochwertigen Tätigkeiten in der Produktion verrichten können?

WAHLSTER Nach meiner Überzeugung werden Menschen, die einfache Tätigkeiten ausüben, künftig zusammen mit digitalen Assistenzsystemen arbeiten. Sie können nach einer Anleitung diese auch bedienen. In der Autoproduktion wird es zu einem noch engeren Zusammenspiel von Menschen und Robotern kommen. Ein Beispiel: Wenn Sie die Verkleidung in eine Autotür einsetzen wollen, funktioniert das nicht voll automatisch, weil es zu viele Varianten gibt. Den ständigen Wechsel von Material kann ein Roboter nicht in kürzester Zeit nachvollziehen. Es wäre auch zu teuer, ihn ständig umzurüsten. Der Mensch hat solche flexiblen Anforderungen im Griff. Deshalb kommt es in diesem Produktionsbereich weiter zu einer Arbeitsteilung. Der Roboter legt die Klebespur für die Türverkleidung im Innenraum. Der Mensch passt die Verkleidung dann ein.

Können Sie weitere Beispiele nenen?

WAHLSTER In der Luftfahrt helfen Roboter bei Airbus in Bremen in der Flügelmontage. Menschen müssen über ihren Köpfen Elektronik sowie Hydraulik einbauen. Das ist sehr anstrengend, erfordert viel Kraft und Ausdauer. Roboter unterstützen die menschlichen Kollegen. Niemand käme aber auf die Idee, dem Roboter die Endkontrolle anzuvertrauen. Ob alle Teile eines Flügels zu 100 Prozent korrekt verarbeitet sind, diese Entscheidung muss beim Menschen bleiben, denn die Sicherheitsanforderungen im Flugzeugbau sind extrem hoch.

Sie beschäftigen sich seit 40 Jahren mit Künstlicher Intelligenz. Was überrascht Sie daran?

WAHLSTER Je mehr ich mich mit Künstlicher Intelligenz befasse, desto mehr wächst mein Respekt vor menschlicher Intelligenz.

Das überrascht mich jetzt. Wie meinen Sie das?

WAHLSTER Künstliche Intelligenz ist besser als natürliche Dummheit, aber menschliche Intelligenz bleibt ungeschlagen. Wir bekommen ständig Anfragen von Industrieunternehmen, Probleme in der Produktion mit Robotern zu lösen. Oft stellt sich heraus, dass der Mensch die bessere und preiswertere Lösung bleibt. Ich sage auch: Niemand hat Grund, gegenüber ungelernten Arbeitern hochnäsig und arrogant aufzutreten. Die leisten sehr viel.

In welcher Welt leben wir in zehn, 20 Jahren? Was wird besser durch die Künstliche Intelligenz?

WAHLSTER Viele für uns unangenehme, lästige und uninteressante Arbeiten werden Systeme der künstlichen Intelligenz übernehmen können. Trotzdem bin ich überzeugt, dass genug Arbeit für alle da sein wird, besonders in den Bereichen Soziales, Pflege, Bildung und Umwelt. Wir werden in zahlreichen Alltagssituationen von Computern umgeben sein: im Auto, Zuhause, im Flugzeug und in der Fabrik. Wir werden ganz selbstverständlich mit Robotern kommunizieren. Das geht so weit, dass nicht nur der Hund ein Leckerli zum Geburtstag bekommt, sondern wir schenken vielleicht auch unseren Haushaltsrobotern etwas zum Geburtstag, weil sie wie unsere Haustiere doch ein Teil unserer häuslichen Gemeinschaft werden.

Was könnte dem Roboter als Geschenk gefallen?

 Roboter werden schon bald ein selbstverständlicher Begleiter des Menschen, sagt Wolfgang Wahlster im Gespräch mit SZ-Redakteur Thomas Sponticcia.

Roboter werden schon bald ein selbstverständlicher Begleiter des Menschen, sagt Wolfgang Wahlster im Gespräch mit SZ-Redakteur Thomas Sponticcia.

Foto: Iris Maria Maurer

WAHLSTER Ein neuer Akku.

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