Rio-Gipfel in der Schusslinie

Rio de Janeiro/Berlin. Beim UN-Gipfel zur nachhaltigen Entwicklung Rio+20 gehen die Urteile über die bisherigen Ergebnisse meilenweit auseinander. Während die brasilianische Gipfelpräsidentschaft mit Stolz auf den erreichten Kompromiss verweist, laufen Umweltverbände in Rio empört Sturm

Rio de Janeiro/Berlin. Beim UN-Gipfel zur nachhaltigen Entwicklung Rio+20 gehen die Urteile über die bisherigen Ergebnisse meilenweit auseinander. Während die brasilianische Gipfelpräsidentschaft mit Stolz auf den erreichten Kompromiss verweist, laufen Umweltverbände in Rio empört Sturm."Das ist kurz vor einem Desaster", urteilte der politische Direktor von Greenpeace, Daniel Mittler, über den Gipfel. Umweltminister Peter Altmaier (CDU) warnte dagegen davor, die gefundenen Kompromisse schlecht zu reden.

Keine Ziele, keine Fristen

"Keine Ziele, keine verbindlichen Fristen, keine Visionen", lautete die gemeinsame Kritik, die Nichtregierungsorganisationen wie Greenpeace, WWF und Oxfam gestern mit Blick auf die geplante Abschlussdeklaration formulierten. Einer der Hauptkritikpunkte: Die Staaten gäben über 600 Milliarden Dollar Subventionen für fossile Brennstoffe jährlich aus, und in Rio gebe es kein Geld für nachhaltige Entwicklung. Mittler: "Das ist eine neue Definition von Heuchelei."

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sieht in Rio+20 dagegen den Anfang des Weges "für eine nachhaltigere und bessere Zukunft für uns und nachfolgende Generationen". Er sei zuversichtlich, dass Abschlussdokument ein festes Fundament bringe, um bei der nachhaltigen Entwicklung voran zu kommen. Altmaier hält den Kompromiss für eine "tragfähige Grundlage", obwohl er sich in einigen Punkten - wie der Aufwertung des UN-Programms UNEP zu einer vollwertigen UN-Agentur oder dem Meeresschutz - mehr gewünscht hätte. Aber die Erklärung sei "alles andere als armselig", sagte er dem rbb-Inforadio. Dank des Einsatzes der Europäer und Deutschlands sei es möglich gewesen, die Papiere, die allesamt nicht sehr ehrgeizig gewesen seien, noch einmal wesentlich zu verbessern.

Für den in Rio anwesenden umweltpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, Matthias Miersch, ist dagegen klar: "Das derzeit verhandelte Abschlussdokument der Konferenz ist nicht das Papier wert, auf dem es stehen wird." Die Welt dürfe nicht mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner zufrieden sein. "Aktuell tun die deutschen Minister vor Ort leider zu wenig dafür, dass eine progressive Erklärung doch noch zu Stande kommt."

Ausdruck der Mutlosigkeit

Auch der klimapolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Hermann Ott, bemängelte, in dem Text finde sich keine Forderung der sozialen und der Umweltbewegungen. "Es ist ein Ausdruck der Mutlosigkeit und der Feigheit vor den fossilen Interessen in Wirtschaft und Politik", sagte Ott. Es sei fraglich, ob Altmaier und Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) in Rio gegenüber den Staats- und Regierungschefs die Statur hätten, um erfolgreich zu intervenieren.

Der Gipfel, an dem seit Mittwoch mehr als 100 Staats- und Regierungschefs teilnehmen, will heute eine Abschlusserklärung mit dem Titel "Die Zukunft, die wir wollen" verabschieden. Die rund 50 Seiten starke Deklaration soll ein klimafreundliches Wirtschaftsmodell auf den Weg bringen. Darüber hinaus soll der Verbrauch von Öl, Kohle sowie Gas eingedämmt werden. dpa

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