Richter drückt im Wulff-Prozess aufs Tempo

Hannover · Seit November steht Ex-Bundespräsident Wulff wegen Vorteilsannahme vor Gericht. Weil sich die Vorwürfe aus Sicht des Vorsitzenden Richters auch am neunten Verhandlungstag nicht erhärteten, stellt er ein schnelles Ende des Verfahrens in Aussicht.

In seinem Zwischenfazit kurz vor Weihnachten hatte Richter Frank Rosenow unmissverständlich klar gemacht, dass er für den Vorwurf der Vorteilsannahme bei Ex-Bundespräsident Christian Wulff bisher keine Belege sieht. Gestern nun befragte der Kammervorsitzende rund zwei Stunden lang kritisch den Ermittlungsleiter der Polizei. Hat sich Wulff tatsächlich bei der Siemens-Spitze für das Filmprojekt "John Rabe" eingesetzt, weil ihn Filmunternehmer David Groenewold zuvor zum Oktoberfest eingeladen hat? Profitierte Groenewold überhaupt persönlich von einem Erfolg des Projekts? Zu dem Verhältnis des damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Wulff und Groenewolds sagt der Beamte des Landeskriminalamtes (LKA) nur vage: "Es geht hier um Über-die-Jahre-bei-Laune-halten."

"Die Vernehmung heute hat nichts richtig Überraschendes ergeben", bilanzierte Rosenow. Die Kammer wolle beim nächsten Mal die Beweisaufnahme schließen und mit den Plädoyers beginnen. Rosenow hat vor, kurzen Prozess zu machen - noch vor dem 22. Januar soll das Urteil fallen. Wie sich die Staatsanwaltschaft zu diesen Plänen verhalten wird, ist noch völlig offen. Sie könnte versuchen, mit Beweisanträgen durchzusetzen, dass weitere ursprünglich vorgesehene Zeugen gehört werden. Dann müsste sie aber triftige Gründe dafür vorbringen, dass deren Aussage dem Prozess eine neue Wendung geben kann.

Unter Freunden üblich

Das auf dem Oktoberfest spendierte Essen stufte das Gericht als "sozialadäquat" ein - als unter Freunden üblich. Von den Vorwürfen, die seit Ende 2011 gegen den damaligen Bundespräsidenten erhoben wurden, ist nicht viel geblieben. Im Prozess geht es um rund 720 Euro. Möglicherweise bleibt am Ende gar nichts von den Anklagepunkten übrig. Damit wäre Wulffs Strategie aufgegangen. Beim Prozessbeginn am 14. November hatte er gesagt: "Aber ich bin mir ganz sicher, dass ich auch den allerletzten Vorwurf ausräumen werde, weil ich mich immer korrekt verhalten habe."

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