Brennende Barrikaden Gewalttätige Proteste in Frankreich wegen Rentenreform – Festnahmen auch in Paris

Paris · Bei Protesten gegen die beschlossene Rentenreform ist es am Montagabend, 20. März, in Frankreich zu gewalttätigen Ausschreitungen gekommen. Diese dauerten bis in die Nacht an. Und das ist wohl noch nicht das Ende.

Gewalttätige Protest in Frankreich gegen Reform der Rente
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Gewalttätige Proteste in Frankreich wegen verabschiedeter Rentenreform

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Foto: dpa/Gerard Cambon

Bei gewalttätigen Protesten nach Verabschiedung der umstrittenen Rentenreform sind in der französischen Hauptstadt Paris 142 Menschen festgenommen worden. Elf Polizisten seien in der Nacht zu Dienstag verletzt worden, berichtete der Fernsehnachrichtensender BFMTV unter Berufung auf Polizeiquellen. Auch zum Saarland benachbarten Lothringen setzt sich der Widerstand gegen die Regierung fort.

Einige Demonstranten hätten unter anderem Mülltonnen angezündet. Allein in Paris seien rund 2000 Polizisten im Einsatz gewesen. Auch in anderen Städten wie Saint-Étienne, Straßburg, Amiens, Caen und Toulouse kam es laut Franceinfo zu spontanen Demonstrationen.

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Foto: BeckerBredel

Darum geht es bei der umstrittenen Rentenreform in Frankreich

Die Reform zur schrittweisen Anhebung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre war am Montagabend, 20. März, nach Ablehnung von zwei Misstrauensanträgen durch die Opposition verabschiedet worden. Sie gilt als eines der wichtigsten Vorhaben von Präsident Emmanuel Macron. Seit Wochen gibt es in Frankreich immer wieder Streiks und heftige Proteste gegen die Reform.

Viele Franzosen lehnen das ab. Seit Januar kommt es immer wieder zu Streiks und Demonstrationen. Allein am vergangenen Mittwoch demonstrierten landesweit knapp 500 000 Menschen gegen das Prestigeprojekt Macrons. Dieser argumentiert, die Reform sei nötig, um das Rentensystem bei einer alternden und immer länger lebenden Bevölkerung weiter zu finanzieren.

Derzeit liegt das Renteneintrittsalter in Frankreich bei 62 Jahren. Tatsächlich beginnt der Ruhestand im Schnitt aber später: Wer für eine volle Rente nicht lange genug eingezahlt hat, arbeitet länger. Mit 67 Jahren gibt es dann unabhängig von der Einzahldauer Rente ohne Abschlag – dies will die Regierung beibehalten, auch wenn die Zahl der nötigen Einzahljahre für eine volle Rente schneller steigen soll. Die monatliche Mindestrente will sie auf etwa 1200 Euro hochsetzen.

Was der hart umkämpften Rentenreform vorausging

Der französische Präsident Emmanuel Macron setzte damit seine heftig umstrittene Rentenreform im Parlament durch: Zwei Misstrauensanträge gegen die Regierung scheiterten am Montag in der Nationalversammlung. Die Reform gilt damit als beschlossen, wie Parlamentspräsidentin Yaël Braun-Pivet sagte. Sie wird nun an den Verfassungsrat weitergeleitet. Er kann einzelne Artikel in Gesetzen ablehnen, billigt die Vorlagen aber meist. Stimmt er zu, kann das Gesetz in Kraft treten.

Die französische Regierung hatte am Donnerstag ihre umstrittene Rentenreform trotz heftiger Proteste ohne Abstimmung durchs Parlament geboxt. Die Entscheidung, ein Votum mit unsicherem Ausgang durch einen Sonderartikel der Verfassung zu umgehen, stieß bei der Opposition auf heftige Empörung.

Regierung übersteht nur knapp Misstrauensvotum

Für den ersten Misstrauensantrag gegen die Regierungund seine Regierung der kleinen Zentrumspartei Liot stimmten 278 Abgeordnete. Um der Regierung das Misstrauen auszusprechen, wären die Stimmen von mindestens 287 Abgeordneten nötig gewesen. Es fehlten also neun Stimmen. Einen weiteren Misstrauensantrag reichte das rechtsnationale Rassemblement National ein. Er erhielt lediglich 94 Stimmen.

Wäre eines der Misstrauensvoten erfolgreich gewesen, hätte die Regierung vom Premierministerin Élisabeth Borne zurücktreten müssen. Die Durchsetzung eines Misstrauensantrags ist allerdings schwierig – seit 1962 war in Frankreich keiner mehr erfolgreich.

Nach dem knappen Ergebnis der ersten Abstimmung riefen einige linksgerichtete Abgeordnete Borne zum Rücktritt auf. „Die Regierung ist in den Augen der Franzosen bereits tot, sie hat keine Legitimation mehr“, sagte etwa die Abgeordnete Mathilde Panot. Marine Le Pen vom Rassemblement National kündigte an, ihre Partei werde am Dienstag beim Verfassungsrat eine Überprüfung des Gesetzes auf dessen Verfassungsmäßigkeit beantragen.

Wie es nach Rentenreform und Misstrauensvotum weitergeht

Im konservativ dominierten Senat wurde die Reform in der vergangenen Woche gebilligt. Macron hat sich seit seiner Entscheidung, den Sonderartikel der Verfassung unter Umgehung des Parlaments zu nutzen, nicht öffentlich geäußert. Für diesen Dienstagvormittag, 21. März, setzte er ein Treffen mit Borne und führenden Mitgliedern seines zentristischen Bündnisses an.

Gewerkschaften haben für Donnerstag zu neuen landesweiten Protesten aufgerufen. Sie haben die Regierung zu einer Rücknahme des Gesetzes aufgefordert.

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