Reiche Deutsche leben bis zu elf Jahre länger

Berlin/Saarbrücken · Wer früher stirbt, war länger arm: Das geht aus einem neuen Bericht hervor. Demnach stieg die Armutsquote fast überall an, im Saarland aber nicht.

Wohlhabende Menschen leben in Deutschland deutlich länger als arme. Das geht aus dem jährlichen Armutsbericht hervor, den der Paritätische Wohlfahrtsverband gestern vorgestellt hat. Demnach werden die Unterschiede immer größer. "Die Schere geht weiter auseinander", erklärte der Vorsitzende des Verbandes Rolf Rosenbrock. Er verwies unter anderem auf eine Studie des Robert-Koch-Instituts, wonach Männer, die an oder unter der Armutsgrenze leben, im Schnitt 10,8 Jahre früher stürben. Bei Frauen beträgt die Differenz demnach etwa acht Jahre. Arme Männer hätten eine durchschnittliche Lebenserwartung von 70,1 Jahren, arme Frauen von 76,9 Jahren. In der Studie wurde zudem die Zahl der Lebensjahre betrachtet, die bei guter oder sehr guter Gesundheit verbracht werden können. Die Differenzen zwischen den Einkommensgruppen waren hierbei noch größer. Sie betrugen bei Männern 14 und bei Frauen zehn Jahre.

Als Gründe für die Unterschiede nannte Rosenbrock ein riskanteres Verhalten in Bezug auf Ernährung, Bewegung, Rauchen und Alkohol. Dies erkläre jedoch nur etwa die Hälfte des Unterschieds: "Die Menschen sterben auch früher, weil sich der psychische Druck durch die insgesamt beengte Lebenssituation und meist auch schlechtere Arbeitsbedingungen oder Arbeitslosigkeit negativ auswirkt." Die Unterschiede zwischen Armen und Wohlhabenden seien besonders deutlich in Bezug auf schwere Erkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall und Diabetes, zitiert der NDR Thomas Lampert vom Robert-Koch-Institut: "Wir können davon ausgehen, dass das Risiko, an diesen Erkrankungen zu erkranken, zwei- bis dreimal höher ist bei Personen, die von Armut betroffen sind."

Wie aus dem Bericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes hervorgeht, lebten 2015 in Deutschland rein rechnerisch rund 12,9 Millionen Menschen und damit 15,7 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. Sie lag in dem Jahr bei 942 Euro für Singles und 1978 Euro für Paare mit zwei Kindern unter 14 Jahren. Armut sei im Ruhrgebiet und in Berlin am tiefsten verankert, hieß es. Nur vier Bundesländer verzeichneten sinkende Quoten: Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und das Saarland. Hierzulande gelten dem Verband zufolge 17,2 Prozent der Bevölkerung als armutsgefährdet, ein Jahr davor waren es noch 17,5 Prozent gewesen.

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund kritisierte den Armutsbericht. Es sei "zu pauschal", Menschen mit weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens als arm zu bezeichnen. Der Dortmunder Wirtschaftsprofessor Walter Krämer sprach von "Panikmache". Bei genauer Betrachtung der Zahlen stelle man fest, "dass die Armut seit Jahren sinkt".

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