Regierung mahnt Bürger zu Besonnenheit

Berlin · Die Flüchtlingszahlen in Deutschland sinken seit Monaten, doch die Krise ist nicht vorbei. Gerade jetzt. Die Gewalttaten in Bayern lösen eine neue Migrationsdebatte aus – und die Rechten laufen Sturm.

Zurückhaltend hat die Bundesregierung auf den Rucksackbomben-Anschlag von Ansbach reagiert. Während Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU ) schon in der Nacht zum Montag von islamistischem Terror sprach und Konsequenzen für die Abschiebepraxis forderte, vermied Berlin zunächst eine solche Zuspitzung. Allerdings erhöhte die Bundespolizei ihre Präsenz auf öffentlichen Plätzen.

Innenminister Thomas de Maizière begründete die Maßnahme mit dem Angstgefühl der Bevölkerung. Er rief gleichzeitig zur Besonnenheit auf. "Das scheint mir in der aktuellen Stimmung eine nötige Tugend für alle zu sein", sagte der Minister und fügte hinzu: "Wir sollten unser freiheitliches Leben weiter leben." Ob in Ansbach und Reutlingen ein Bezug zum Terror des IS bestehe, sei "ebenso wenig auszuschließen wie das Vorliegen einer besonderen Labilität der Täter oder einer Kombination von beidem". De Maizière sprach neutral von "Gewalttaten". Der 27-jährige syrische Selbstmordattentäter von Ansbach, der zuvor schon als suizidgefährdet aufgefallen war, hinterließ auf seinem Handy ein Bekennervideo mit islamistischen Motiven. Der IS beanspruchte die Tat jedenfalls für sich.

Überrascht zeigte man sich im Berliner Innenministerium von Herrmanns Forderung, Abschiebungen künftig zu erleichtern. Denn die Abschiebepraxis war in den letzten Monaten schon deutlich verschärft worden. Der Asylantrag des Ansbacher Täters war 2014 abgelehnt worden, weil er schon in Bulgarien den Flüchtlingsstatus erhalten hatte. Deshalb sollte er dorthin abgeschoben werden, doch wurde das wegen der psychischen Probleme des Mannes zunächst ausgesetzt. Vorletzte Woche allerdings war der Bescheid zur Abschiebung in das Balkan-Land erneuert worden. In Staaten, in denen den Betroffenen unmittelbar Verfolgung oder Tod drohen, darunter Syrien, darf grundsätzlich nicht abgeschoben werden. Das stellte auch Herrmann nicht in Frage. Was er konkret an der Abschiebepraxis ändern will, sagte er nicht.

Sein Kabinettskollege, Justizminister Winfried Bausback (CSU ), erklärte, "dass der islamistische Terror Deutschland erreicht hat". Er plädierte für eine weitere Verstärkung der Sicherheitsbehörden. Außerdem müssten die Möglichkeiten von Fahndung und Gefahrenabwehr im Netz verbessert werden. Der vom Verfassungsgericht gesetzte Rahmen sei hier "angesichts der Bedrohungslage zu eng". Das bayerische Kabinett will von heute an bei einer Klausurtagung das Thema Sicherheit diskutieren. Beobachter rechnen mit möglichen neuen Kontroversen zwischen der CSU und der CDU über die Asylpolitik.

Von rechten Gruppen wurde unterdessen ein Ende der Willkommenskultur in Deutschland gefordert und Kanzlerin Angela Merkel persönlich verantwortlich gemacht. "Der Terror ist endgültig in Deutschland angekommen, dank Merkel und ihren Mittätern", twitterte Pegida-Sprecher Lutz Bachmann. Sachsen-Anhalts AfD-Chef André Poggenburg schrieb: "Leider bestätigt: Wieder Terror durch Migration." Auch Links-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht erklärte, die Ereignisse zeigten, dass die Aufnahme und Integration einer großen Zahl von Flüchtlingen "schwieriger ist, als Merkels leichtfertiges 'Wir schaffen das' uns im letzten Herbst einreden wollte".

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