Regieren im ganz kleinen Kreis

Berlin · Sechs Augen, verschlossene Türen, Schweigen. So wollen Merkel, Seehofer und Gabriel Stabilität in die große Koalition bringen. Eine Krise fern von Deutschland liefert noch den größten Zusammenhalt.

Chefsache. Mindestlohn, Energiewende, Rente mit 63: Letztlich alles Chefsache. Wie schon im Februar inmitten der Edathy-Affäre hatten sich die Bundeskanzlerin, ihr SPD-Vizekanzler und der CSU-Chef gestern Abend wieder nur zu einem Sechs-Augen-Gespräch über Streitfragen der Koalition verabredet. Kein Koalitionsausschuss, auch die Fraktionschefs waren nicht dabei. Obwohl das Vertrauen von Angela Merkel und Horst Seehofer zu Unionsfraktionschef Volker Kauder und auch das von Sigmar Gabriel zum SPD-Fraktionsvorsitzenden Thomas Oppermann groß ist. Die drei Parteichefs wollen jetzt vor allem dies: Kontrolle. Über Themen, Beschlüsse und möglichst das Koalitionsklima.

Alles unter Kontrolle. Das geht offensichtlich nur, wenn erst einmal geschwiegen wird. Und das geht offensichtlich nur im kleinstmöglichen Kreis. Merkel, Gabriel und Seehofer haben diese gute Erfahrung während der Koalitionsverhandlungen miteinander gemacht. Nun versuchen sie, auf diese Art das schwarz-rote Bündnis zu stabilisieren, das durch die Affäre um den SPD-Politiker Sebastian Edathy noch in der Startphase in die erste Krise stürzte.

Allerdings hatte auch Gabriel durch die Weitergabe von Informationen seinen Teil zur Affäre beigetragen, in der schließlich CSU-Minister Hans-Peter Friedrich zurücktrat. Seither ist die Stimmung in der Union, was das Verhältnis zur SPD angeht, eher mies. Seehofer sieht in der Affäre einen Fehlstart.

Nun aber soll nur noch geschwiegen werden. Weder CDU, CSU und SPD noch die Regierung wollen etwas Konkretes zu dem Dreier-Treffen sagen. In der Unionsfraktion findet man es auch nicht so schlimm, dass Kauder nicht dabeisitzt. Schließlich fassten die Drei keine Beschlüsse, sondern bereiteten das Terrain dafür vor, hieß es. Hingegen hatte Seehofer angekündigt, es werde eine Einigung beim Streitthema Mindestlohn geben. Allerdings wies SPD-Fraktionschef Oppermann die Forderung der Union nach einer höheren Altersgrenze noch am Nachmittag zurück: "Niemand über 18 wird in Zukunft weniger als 8,50 Euro verdienen." Seehofer zieht bekanntlich die Aufmerksamkeit gern auf sich und zündelt gern. Schulterschluss mit Gabriel hin oder her - bei der Energiewende setzt er den Energieminister jetzt unter neuen Druck.

Was eine große Koalition aber leisten kann, zeigt hingegen die Krim-Krise. Wie beim Ausbruch der Finanzkrise vor sechs Jahren stehen Union und SPD eng zusammen. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) bildet ein Tandem mit der Kanzlerin. Für Schwarz-Rot ist der Erhalt diplomatischer Drähte nach Moskau sinnvoller als eine knallharte Sanktionslinie. Aber: Die Bundesregierung will ein einheitliches Vorgehen mit der EU und den USA. Und: Eine Lösung des Dilemmas hat auch sie nicht parat.

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