Rechte der Opposition vor Gericht

Berlin · Die Linke will die Ausnahmen beim Mindestlohn und die Mütterrente vom Verfassungsgericht kippen lassen . Doch eine entsprechende Klage gegen die Koalition kann die kleine Opposition nicht einreichen. Das soll sich ändern.

Die Mehrheit einer Regierung war im Bundestag nur zwischen 1966 bis 1969 noch erdrückender als in dieser Wahlperiode. Auch diesmal kann die Opposition gegen die Übermacht der großen Koalition (80 Prozent der Mandate) nur sehr eingeschränkt aktiv werden. Insbesondere bei einem wichtigen Punkt, nämlich der Unmöglichkeit, gegen Bundesgesetze klagen zu können, sieht die Linke ihr Recht auf eine wirksame parlamentarische Kontrolle der Regierung verletzt. Dagegen hat sie nun Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht.

Bisher wollen SPD und CDU am Status quo der "Normenkontrollklage" in Karlsruhe nicht rütteln. Aber nur so lassen sich Gesetze auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin überprüfen. In der Vergangenheit waren dadurch die Gesetze zum Schwangerschaftsabbruch und zur Parteifinanzierung gekippt worden. Laut Grundgesetz müssen für eine Normenkontrollklage aber mindestens 25 Prozent der Bundestagsabgeordneten grünes Licht geben. Oder eine Landesregierung. Da es in Deutschland praktisch keine Regierung ohne CDU- oder SPD-Beteiligung gibt, ist dieses Kontrollinstrument ausgehebelt. Klagen können zwar auch betroffene Einzel-Personen. Anders als bei Staatsorganen geht der Weg dann aber durch alle juristischen Instanzen, was Jahre dauern kann.

Die fast einhundert Seiten lange Klageschrift der Linken sieht nun vor, dass auch die "Gesamtheit der Fraktionen, die nicht die Bundesregierung tragen" ein Normenkontrollverfahren erzwingen kann. Die entsprechende Formulierung - gemeint ist praktisch die Opposition, unabhängig von ihrer Stärke - soll ins Grundgesetz aufgenommen werden. Das Problem ist allerdings, dass für eine Grundgesetzänderung eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag erforderlich ist, also auch SPD und Union zustimmen müssten. Noch vertrackter wird die Sache, wenn man bedenkt, dass die Linke gewissermaßen gegen die Verfassung selbst klagt. Kann die Verfassung selbst verfassungswidrig sein? Kann das Gericht den Gesetzgeber dazu zwingen, mit Zwei-Drittel-Mehrheit eine Änderung herbeizuführen?

Klar ist aber, was die Linken machen würden, wenn sie die Möglichkeit einer Normenkontrolllage hätten. Laut Linksfraktionschef Gregor Gysi würde sie das Gesetz zur Mütterente wegen der unterschiedlichen Ost-West-Regelung überprüfen lassen. Ebenso das Gesetz zum Mindestlohn , weil es verschiedene Ausnahmen etwa für Langzeitarbeitslose enthält. Völlig offen ist allerdings, wann Karlsruhe zu einem Urteil kommt, ja, ob die Richter die Klage überhaupt annehmen.

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