Rätsel um die Stille von Flug MS 804

Kairo · Was passiert am Donnerstag um 2:30 Uhr über dem Mittelmeer? Eine Katastrophe – so viel steht fest. Das Verschwinden von Flug MS804 mit 66 Menschen an Bord lässt noch viele Deutungsmöglichkeiten offen.

 Bergungsteams suchen unter anderem aus der Luft das Absturzgebiet ab. Foto: Crown Copyright/dpa

Bergungsteams suchen unter anderem aus der Luft das Absturzgebiet ab. Foto: Crown Copyright/dpa

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"In wenigen Minuten verlassen Sie den griechischen Luftraum - bestätigen Sie." Auf die Aufforderung des Fluglotsen in Athen folgte Stille. Egyptair-Flug MS 804 von Paris nach Kairo reagierte nicht mehr. Der Airbus A320 mit 66 Menschen an Bord war am Donnerstagmorgen über dem östlichen Mittelmeer abgestürzt. Das ist nach dem Fund erster Trümmerteile vor der ägyptischen Küste gestern nun Gewissheit. Jetzt beginnt das Rätselraten um die Hintergründe.

Nichts deutete zuvor darauf hin, dass sich auf diesem Linienflug der wohl schwerste Absturz des Jahres ereignen würde. Der Pilot grüßte höflich auf Griechisch Richtung Athen und hielt die Maschine konstant auf der Reiseflughöhe von gut 11 000 Metern (37 000 Fuß). "Dann machte er eine Drehung von 90 Grad nach links und danach eine andere Drehung von 360 Grad nach rechts und fiel auf eine Höhe von 15 000 Fuß", sagte der griechische Verteidigungsminister Panos Kammenos. Danach gab es keinen Radarkontakt mehr.

Die Gründe für den unvermittelten Sturzflug bleiben unklar. Der Flug auf Reisehöhe gilt allgemein als der sicherste Teil der Reise, da die Maschine mit hoher Geschwindigkeit unterwegs und ein Strömungsabriss damit unwahrscheinlich ist. Das Wetter an der Unglücksstelle zwischen Kreta, Zypern und dem ägyptischen Festland war auch nachweislich gut. Und selbst wenn die Maschine in Turbulenzen gekommen wäre: Einen Notruf abzusetzen - für den der Pilot eine vierstellige Zahlenkombination am sogenannten Transponder eintippen muss - ist eine Sache weniger Sekunden. Doch die Besatzung blieb stumm.

Denkbare Szenarien wären ein Abschuss, eine Explosion an Bord oder auch ein Pilotenfehler. Selbst ein absichtlicher Absturz wie bei der Germanwings-Katastrophe im vergangenen Jahr kann vorerst nicht ausgeschlossen werden. Für die diversen Varianten gibt es schlagzeilenträchtige Beispiele: Beim Unglücksflug AF447 von Rio nach Paris kam es 2009 zu dem extrem seltenen Fall, dass die Piloten wegen einer eingefrorenen Sonde überfordert waren und das Flugzeug in den Atlantik raste. Abgeschossen wurde 2014 die Boeing 777-200 der Malaysia Airlines über der Ukraine. Der Einsatz einer hoch entwickelten Rakete wie einer bodengestützten Luftabwehrrakete ist wegen des Absturzortes von MS804 über dem offenen Meer aber sehr unwahrscheinlich. Eine andere Option ist eine Explosion. Erst Ende Oktober hatte ein solcher Absturz Ägypten getroffen. 224 Menschen starben, als eine Bombe in einem russischen Ferienflieger über der Sinai-Halbinsel explodierte. Die Terrormiliz Islamischer Staat bekannte sich zu der Tat.

Eine Explosion, bei der die Außenhaut des Flugzeuges beschädigt wird, führt zum sofortigen Druckverlust in der Kabine. In einer solchen Höhe werden die Insassen innerhalb von Sekunden bewusstlos. Eine Explosion an Bord der Egyptair-Maschine würde das schnelle Absacken der Maschine erklären. Für Spekulationen über Terror - auch wenn die ägyptische Regierung ihn für wahrscheinlicher als technisches Versagen hält - ist es jedoch zu früh. Das US-Verteidigungsministerium teilte mit, es gebe derzeit keine Hinweise auf eine Explosion. FBI-Chef James Comey fügte hinzu: "Bisher haben wir niemanden, der sich dazu bekannt hat oder Beweise, dass es eine absichtliche Tat war."

Priorität hat nun die Suche nach den 56 Passagieren und zehn Crew-Mitgliedern. Doch die Hoffnungen, Überlebende zu finden, sind mehr als einen Tag nach dem offenbar sehr harten Aufprall gering. Griechischen Regierungsangaben zufolge wurden bereits Leichenteile im Meer entdeckt. Um Gewissheit über das Schicksal der Maschine zu schaffen, suchen die Bergungsteams besonders nach den Flugschreibern. Sie sollen Aufschluss über die Absturzursache geben. Und die Stille der letzten Sekunden von MS 804 durchbrechen.

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