Radikaler Sparer soll Romney helfen

Washington. Irgendwie passt sie nicht recht zu Paul Ryan, die martialische Kulisse im Hafen von Norfolk, dem größten Flottenstützpunkt an der amerikanischen Atlantikküste. Wie ein heimgekehrter Matrose schreitet er vom Kriegsschiff USS Wisconsin, kaum zufällig benannt nach Ryans Heimatstaat. Mitt Romneys Wahlkampfregie dürfte lange gebastelt haben an dem Ambiente

Washington. Irgendwie passt sie nicht recht zu Paul Ryan, die martialische Kulisse im Hafen von Norfolk, dem größten Flottenstützpunkt an der amerikanischen Atlantikküste. Wie ein heimgekehrter Matrose schreitet er vom Kriegsschiff USS Wisconsin, kaum zufällig benannt nach Ryans Heimatstaat. Mitt Romneys Wahlkampfregie dürfte lange gebastelt haben an dem Ambiente. Aber der neue Hoffnungsträger der Republikaner ist kein militärischer Typ, Sicherheitspolitik zählt nicht zu seinen Stärken. Sein Metier sind Zahlen, Haushaltsentwürfe, Sparvorschläge.Romney selbst ist so aufgeregt, dass er sich bei der Vorstellung Ryans verspricht und seinen Weggefährten als den nächsten Präsidenten der USA ankündigt. Kurz darauf kehrt er zurück ans Rednerpult, um den Ausrutscher zu korrigieren. "Aber mit diesem Burschen hier", sagt er fast trotzig, "habe ich keinen Fehler gemacht."

Kein Zweifel, mit der Ernennung des 42-Jährigen hat sich Romney für die kühne, die riskante Variante entschieden. Jungenhaft und burschikos soll der Fitness-Fan Ryan Romneys Manko ausgleichen, eine zumindest bei öffentlichen Auftritten fast roboterhafte Steifheit.

Mit ihm macht einer jener streitbaren Konservativen das Rennen, die mit dem Höhenflug der Tea Party ins Rampenlicht rückten. Einer von den "Young Guns", wie der Volksmund sie anschaulich nennt. Der Regierung Barack Obamas begegnen sie mit einer Art Fundamentalopposition, aber auch von George W. Bush möchten sie sich im Nachhinein abgrenzen, speziell von der unbekümmerten Art, mit der Bush Schulden anhäufte.

Ein Hauch von Vabanque liegt über der Personalie, ähnlich wie 2008, als John McCain mit Sarah Palin eine echte Überraschungskandidatin aus dem Hut zauberte. Dem frischen Wind der ersten Wochen war seinerzeit eine Serie von Blamagen gefolgt, gekrönt durch Palins forsche Bemerkung, sie besitze schon deshalb weltpolitische Kompetenz, weil sie vom heimischen Alaska bis nach Russland schauen könne. Paul Ryan wird sich solche Blößen kaum geben: Er führt den Haushaltsausschuss des Repräsentantenhauses und gilt als profunder Kenner seines Fachs. Seine Achillesferse dürfte vielmehr eine Art sein, die manche als schonungslos offen charakterisieren, andere als unnötig provozierend. Jedenfalls ist er der Wunschgegner der Demokraten.

Das Markenzeichen des Radikalsparers sind drastische Abstriche bei Medicare, der steuerfinanzierten Gesundheitsfürsorge für Alte, während er die Verteidigungsausgaben unangetastet lässt und die Kapitalertragssteuer sogar komplett abschaffen möchte. Nach Ryans Plan sollen Pensionäre künftig bestimmte Pauschalbeträge erhalten, statt wie bisher Arzt- und Apothekerrechnungen vom Staat bezahlt zu bekommen. Angesichts der Kostenlawine sagen Kritiker voraus, dass die tatsächlichen Kosten die Pauschalzuwendungen bald deutlich überschreiten und Millionen von Menschen in die Armut rutschen würden. "Nur wer die Verantwortung für sich selbst übernimmt, kann wirklich frei sein", entgegnet ungerührt der Mann aus Wisconsin. "Nur ein freier Mensch kann eine verantwortungsvolle Wahl treffen - zwischen richtig und falsch, zwischen Sparen und Ausgeben, Nehmen und Geben."

Meinung

Klare Fronten

Von SZ-MitarbeiterFrank Herrmann

Mit Paul Ryan sind die Fronten klar, die Kontraste geschärft. Mitt Romney hat sich nicht für einen Pragmatiker der Mitte entschieden, als es darum ging, einen Bewerber fürs Vizepräsidentenamt zu präsentieren. Stattdessen favorisierte er einen Ideologen, der fest daran glaubt, dass "Uncle Sam" mit seinen Sozialprogrammen eher Teil des Problems ist als ein Teil der Lösung. Die Tea Party bekommt ihren Wunschkandidaten, was Romney helfen dürfte, die rechte Flanke der Republikaner zu mobilisieren, ein Milieu, mit dem er bisher nicht recht warm wurde. Ryan aber treibt es auf die Spitze. Von ihm stammen Budgetentwürfe, die vom ohnehin nicht sonderlich engmaschigen sozialen Netz der Vereinigten Staaten nur noch Stückwerk übriglassen. Die Amerikaner haben nun die Wahl.

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