Radebrechen am PatientenbettJeder vierte Arzt stammt nicht von hier

Berlin. Der Patient eines sächsischen Kreiskrankenhauses hatte Angst. Sein Knie hatte schwer etwas abbekommen, soviel war ihm klar, als er nach einem Unfall in die Notaufnahme kam. Doch was war ihm genau passiert? Der Arzt war ziemlich sprachlos. "Knie brochen. Muss gucken", sagte er. Und schwieg. Das in einer ARD-Sendung geschilderte Beispiel ist kein Einzelfall

Berlin. Der Patient eines sächsischen Kreiskrankenhauses hatte Angst. Sein Knie hatte schwer etwas abbekommen, soviel war ihm klar, als er nach einem Unfall in die Notaufnahme kam. Doch was war ihm genau passiert? Der Arzt war ziemlich sprachlos. "Knie brochen. Muss gucken", sagte er. Und schwieg. Das in einer ARD-Sendung geschilderte Beispiel ist kein Einzelfall. Wegen des Ärztemangels arbeiten immer mehr Mediziner aus Osteuropa, Griechenland, aber auch Syrien, Ägypten oder anderen Ländern vor allem in kleineren deutschen Kliniken - oft ohne gute Deutschkenntnisse.Alarm schlägt nun der Verband der Krankenhausdirektoren. "Der Anteil ausländischer Ärzte auf Assistenzebene ist stark gestiegen", sagt Verbandspräsident Josef Düllings. Mehr als die Hälfte der Mediziner sind in vielen ost- und westdeutschen Häusern heute aus dem Ausland. "Die fachlichen Kenntnisse sind oft recht gut, aber die Abläufe in deutschen Krankenhäusern können oft nicht nachvollzogen werden und die sprachlichen Kenntnisse sind oft nicht ausreichend. Das wird zum Sicherheitsproblem", sagt Düllings.

Das Arzt-Patienten-Gespräch stärken - das zählt zu den Zielen von Gesundheitsminister Daniel Bahr. Und auf jedem Ärztetag wird erneut beschworen, dass das Vertrauensverhältnis von Arzt und Patient bewahrt werden muss. Doch die Realität sieht in vielen der rund 2000 Kliniken in Deutschland anders aus.

Insgesamt ist die Zahl der gemeldeten ausländischen Ärzte laut Bundesärztekammer vergangenes Jahr um 3039 auf 28 355 gestiegen. Die meisten kommen neben Österreich aus Griechenland (2224), Rumänien (2105) und Polen (1636). Doch an Regeln für die sprachlichen Voraussetzungen hapert es. "Es gibt inzwischen Krankenhäuser, in denen kaum noch ein Arzt richtig Deutsch spricht", mahnt der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery. Der Vorsitzende der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Rudolf Henke, fordert: "Ein Arzt aus einem Drittland muss mehr können, als in der Nachtschicht Pizza zu bestellen." Stimmen Fach- und Sprachkenntnisse, kommt man als Mediziner aus dem Ausland in der Regel an begehrteren Häusern in den Städten unter. Landkliniken müssen nach Branchenangaben Abstriche machen und Mediziner mit Kommunikationsproblemen einstellen. Sonst bleiben die Stellen eben unbesetzt.

Die Behörden verlangen zwar in der Regel den Nachweis eines allgemeinsprachlichen Niveaus, bevor sie eine Berufserlaubnis erteilen. Doch mitunter reicht es auch, wenn der Arzt den Behördenmitarbeiter im Gespräch überzeugt. Reicht das für die Ansprüche der Patienten im direkten Kontakt mit ihren Ärzte? Oder gar für das Verfassen von Arztbriefen?

Auf seiner jüngsten Hauptversammlung forderte der Marburger Bund, dass die Mediziner ihre Deutschkenntnisse per Prüfung nachweisen müssen. Heute kommen Ärzte oft in einen einwöchigen Crashkurs, wenn sie schon längst Dienst am Patienten in einem Krankenhaus tun. Was kann helfen? Die Ärztevertreter fordern neben strikteren Voraussetzungen für ausländische Mediziner vor allem bessere Bedingungen, sodass Nachwuchsärzte nach dem Studium auch in ihrem Beruf arbeiten. "Die jungen Ärzte wollen keine Marathondienste mehr schieben", sagt Montgomery. Die Kliniken selbst sehen andere in der Pflicht, wie Verbandspräsident Düllings deutlich macht. Er fordert mehr Medizinstudienplätze, mehr Geld - und mehr Programme von Bund und Ländern für die Integration ausländischer Ärzte.Saarbrücken/Neunkirchen. "Dr. Sprachlos" auf Visite. In deutschen Krankenhäusern ist das längst Realität - und meint Folgendes: Jeder zweite Mediziner kommt wegen des herrschenden Ärztemangels aus dem Ausland und hat deshalb auch schlechtere Deutschkenntnisse. "Das wird auch im Saarland zunehmend zu einem Problem", warnt Alfons Vogtel, der Geschäftsführer der Saarland-Heilstätten GmbH (SHG), dem größten Krankenhausträger im Bundesland. Er sagt: "In sieben, acht Jahren werden die Patienten wohl nur noch entscheiden können, ob ein Arzt vor ihnen stehen soll oder jemand, der Deutsch spricht."

Die Quote der Mediziner mit ausländischen Wurzeln liege derzeit im Saarland wohl eher bei 25 Prozent und damit deutlich unter dem Bundesschnitt von 50 Prozent. Warum? "Die Saarländer sind ortsgebundener", sagt Vogtel. Sie wollen hier studieren und dann auch hier arbeiten. Doch auch das verschiebt sich. Schuld seien schlechter werdende Arbeitsbedingungen wie familienfeindliche Arbeitszeiten und ein Zuviel an Bürokratie. Deshalb wandern immer mehr saarländische Ärzte in die Schweiz oder Norwegen ab oder in medizinnahe Berufe etwa bei Versicherungen oder Pharmakonzernen.

Für ausgebildete Mediziner aus Drittländern sei Deutschland als Arbeitsmarkt allerdings sehr attraktiv. "Sie verdienen hier mehr, und auch die Ausstattung in den Kliniken ist deutlich besser, als sie es gewohnt sind", meint Dr. Christian Braun, ärztlicher Direktor des Klinikums Saarbrücken.

Ungeachtet der Deutschkenntnisse sei die fachliche Qualität der immigrierten Ärzte sehr hoch. Die Ausbildung in Europa hätte deutsche Standards, und Ärzte aus dem nichteuropäischen Ausland müssten "eine Gleichwertigkeitsprüfung ablegen und so nachweisen, dass ihre Fertigkeiten denen ihrer deutschen Kollegen entspricht", sagt Klaus-Dieter Hielscher vom Verband der Krankenhausdirektoren, Landesverband Saarland.

Was die Ursprungsländer ausländischer Ärzte in Deutschland betrifft, bildet das Saarland keine Ausnahme. "Die meisten Mediziner kommen aus Osteuropa, also Polen und Rumänien, oder aus dem Nahen Osten", sagt Vogtel. Im Zuge der Wirtschaftskrise sei das Saarland aber auch für Ärzte aus Griechenland und Spanien immer interessanter. pbe

"Ein Arzt aus einem Drittland muss mehr können, als in der Nachtschicht Pizza zu bestellen."

Rudolf Henke, Vorsitzender des Marburger Bundes

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des Geldes

Von SZ-RedakteurUlrich Brenner

Es klinkt grotesk: Immer lauter werden Forderungen, die Ärzte sollten den Kranken besser zuhören - dabei können immer weniger ihre Patienten richtig verstehen. Allerdings: In Kliniken zählt am Ende die fachliche Kompetenz. Und hier spürt Deutschland den demografischen Wandel. Die Konkurrenz um gut ausgebildete, junge Kräfte wird international immer härter. Wer junge deutsche Ärzte in unseren Kliniken halten will, muss die Arbeit dort für jene attraktiver machen, die jetzt ins Ausland oder zu Pharmafirmen flüchten. Aber wer kann das bezahlen? Die einzig realistische Lösung wird sein, in die Sprachkompetenz der ausländischen Ärzte zu investieren.

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