Putsch gegen Erdogan-Regierung stand kurz bevor
Ankara. Im Verbotsprozess gegen die türkische Regierungspartei AKP von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan haben Vertreter der Partei vor dem Verfassungsgericht in Ankara ihr Schlussplädoyer gehalten. Eine Delegation unter Leitung von Vize-Regierungschef Cemil Cicek wies gestern den Vorwurf der Staatsanwaltschaft zurück, die AKP betreibe eine Islamisierung des Landes
Ankara. Im Verbotsprozess gegen die türkische Regierungspartei AKP von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan haben Vertreter der Partei vor dem Verfassungsgericht in Ankara ihr Schlussplädoyer gehalten. Eine Delegation unter Leitung von Vize-Regierungschef Cemil Cicek wies gestern den Vorwurf der Staatsanwaltschaft zurück, die AKP betreibe eine Islamisierung des Landes. Generalstaatsanwalt Abdurrahman Yalcinkaya hatte am Dienstag seine Forderung nach einem Verbot der AKP bekräftigt, weil die Partei ein "Zentrum anti-laizistischer Aktivitäten" geworden sei. Ein Urteil wird in den kommenden Wochen erwartet. Die Sitzung hinter verschlossenen Türen begann am Morgen und sollte mehrere Stunden dauern. Cicek und der ranghohe Parteifunktionär Bekir Bozdag erläuterten vor den elf Richtern noch einmal die Argumente der Verteidigung, die diese bereits schriftlich vorgelegt hatte. Die AKP spricht von einer politisch motivierten Kampagne der kemalistischen Elite des Landes. Die Kemalisten, die sich auf Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk berufen, hatten lange Zeit die wichtigsten Machtpositionen der Türkei inne und sind vor allem in der Armee, der Justiz und Teilen der Bürokratie nach wie vor die bestimmende Kraft.
Türkei vor Zerreißprobe
Nach der Anhörung sollte der Berichterstatter des Gerichts seine Empfehlungen verfassen. Dann soll festgelegt werden, wie lange die Richter beraten wollen und wann das Urteil ergehen soll. Die meisten Beobachter rechnen mit einem Verbot der AKP, weil die Mehrzahl der Verfassungsrichter als Gegner der Regierung gelten. In Ankara wird bereits über die unmittelbar bevorstehende Gründung einer neuen Partei als Auffangbecken für die AKP-Mitglieder spekuliert. Bei der Parlamentswahl im vergangenen Sommer hatte die AKP fast 47 Prozent der Stimmen erhalten.
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz, sieht die Türkei wegen des Prozesses vor einer Zerreißprobe. Er mache sich Sorgen, dass der Reformprozess ins Stocken geraten könnte.
Unterdessen wurden neue Einzelheiten über die Festnahme von mehr als 20 Erdogan-Gegnern in den vergangenen Tagen bekannt. Medienberichten zufolge stand ein Umsturzversuch gegen die Regierung unmittelbar bevor. Mehrere Zeitungen berichteten übereinstimmend, bei der Festnahme von Regierungsgegnern seien Pläne für einen Umsturzversuch gefunden worden. Danach waren für den kommenden Sonntag landesweite Demonstrationen gegen die Regierung vorgesehen, bei denen Zusammenstöße zwischen Demonstranten und der Polizei provoziert werden sollten. Mit einer Serie von Attentaten und einer begleitenden Medienkampagne hätten die Beschuldigten einen Staatsstreich der Armee vorbereiten wollen. afp