Protest gegen Linken-Überwachung

Berlin. Die Überwachung von 27 Bundestagsabgeordneten der Linken durch den Verfassungsschutz hat quer durch alle Fraktionen für Unmut gesorgt. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) nannte das Ausmaß der Beobachtung übertrieben und unverhältnismäßig. Ähnlich äußerten sich gestern Politiker von FDP und SPD

Berlin. Die Überwachung von 27 Bundestagsabgeordneten der Linken durch den Verfassungsschutz hat quer durch alle Fraktionen für Unmut gesorgt. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) nannte das Ausmaß der Beobachtung übertrieben und unverhältnismäßig. Ähnlich äußerten sich gestern Politiker von FDP und SPD. CSU-Innenminister Hans-Peter Friedrich sieht dennoch keinen Anlass, die bisherige Praxis zu ändern. "Nur weil es öffentlichen Protest gibt, kann das nichts an der Notwendigkeit der Beobachtung durch den Verfassungsschutz ändern", sagte ein Sprecher. Die Generalsekretäre von CDU und CSU stärkten Friedrich den Rücken.Am Wochenende hatte der "Spiegel" berichtet, dass der Verfassungsschutz 27 der 76 Bundestagsabgeordneten der Linken beobachtet, darunter Fraktionschef Gregor Gysi, Parteichefin Gesine Lötzsch und Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau. Das Innenministerium bestätigte zwar die Zahl der beobachteten Abgeordneten, wollte aber unter Berufung auf eine Geheimhaltungspflicht keine Namen nennen. Laut Ministerium wurden bei der Beobachtung nur offene Quellen wie Zeitungsartikel und Reden ausgewertet.

Linksfraktionschef Gregor Gysi bezweifelt das. "Die lügen, die arbeiten auch mit geheimdienstlichen Methoden", sagte er vor Journalisten. Ein Beleg dafür sei, dass in Verfassungsschutzakten über ihn, die er eingesehen habe, Stellen geschwärzt worden seien. "Wenn es ausschließlich öffentlich zugängliches Material ist, ist das Unsinn", sagte er. Gysi hatte Ende 2011 erstmals seine Verfassungsschutzakte eingesehen. Der Linksfraktionschef forderte die Abschaffung der Behörde. "Sie haben nicht das Ende der DDR und des Kalten Krieges mitbekommen", warf er den Geheimdienstlern vor.

Die Linke kann auf ungewöhnlich breite Solidarität bauen. Die Grünen stellten ebenfalls die Existenz des Inlands-Geheimdienstes infrage. "Angesichts der Performance . . . stellt sich die Frage, wie es weitergehen kann mit dem Verfassungsschutz", sagte Parteichef Cem Özdemir. Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD und Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die Geheimdienste, Thomas Oppermann, kündigte an, dass der Verfassungsschutz Rechenschaft über die Beobachtung der Linken ablegen müsse.

Aber auch in der Koalition regte sich Protest. "Natürlich gibt es Verfassungsfeinde bei den Linken", sagte Entwicklungsminister Niebel (FDP). "Aber es kann nicht sein, dass Abgeordnete flächendeckend überwacht werden." Neben dem Parlamentarischen Kontrollgremium wird sich voraussichtlich auch das Präsidium des Bundestags mit der Überwachung von Abgeordneten befassen. dpa

Foto: Kumm/dpa

Meinung

Unsinnige Beobachtung

Von SZ-KorrespondentStefan Vetter

Man muss die Linkspartei nicht lieben. Und ihre oftmals populistischen Ansagen schon gar nicht. Eine nahezu flächendeckende Beobachtung der Bundesprominenz durch den Verfassungsschutz rechtfertigt das jedoch in keiner Weise. Dass Leute wie Gregor Gysi oder Dietmar Bartsch eine Gefahr für die freiheitlich demokratische Grundordnung darstellen sollen, glauben nicht einmal ihre eingefleischten Gegner. Wenn es stimmt, dass der Bundesverfassungsschutz jährlich 390 000 Euro ausgibt, um eine Partei zu observieren, die sich vorzugsweise selbst zerlegt, aber nur 590 000 Euro für die Beobachtung der NPD, deren braunes Umfeld - wie bekannt wurde - allein zehn Morde zu verantworten hat, dann ist etwas faul. Dann stellt sich die Frage nach der Verhältnismäßigkeit und nach der Existenzberechtigung der Geheimen.

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