Pro oder Contra Athen?

Berlin · Der größte Unmut in der Koalition über die Griechenland-Rettung herrscht in der Union. An der Zahl der Nein-Sager dürfte Merkels Rückhalt in den eigenen Reihen abgelesen werden. Aber vielleicht machen die Abgeordneten ihrer Kanzlerin ja ein Geburtstagsgeschenk.

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, wirft Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU ) vor, er handle nach dem Prinzip "Wir und Die". Europa müsse aber zusammenhalten, sagte die Grüne im Gespräch mit unserer Zeitung. "Schäuble will im Nachhinein noch Recht behalten. Dabei ist er mit seinem Vorschlag bei den anderen Europäern krachend gescheitert. Eine solche Idee hilft weder Europa noch Griechenland", sagte Göring-Eckardt weiter. Einen Grexit schloss sie aus: "In Griechenland würde ein Grexit das totale Chaos auslösen, erst recht ein vorübergehender Grexit." Einen Grexit dürfe es nicht geben. "Eine Ablehnung des Mandats für die Verhandlungen eines dritten Hilfspakets kommt für mich nicht in Frage. Athen braucht eine langfristige und nachhaltige Lösung. Dafür werden wir uns einsetzen." Kritik übte Göring-Eckardt aber auch an Griechenland. "Auch die griechische Seite hat sich vielfach falsch verhalten und nicht das gemeinsame Ziel verfolgt, Kompromisse zu finden."

Das ganze Interview lesen Sie unter www.saarbruecker-zeitung.de/berliner_buero

Noch immer steht es in Griechenland Spitz auf Knopf. Ministerpräsident Alexis Tsipras hat zwar in der Nacht zum Donnerstag das von den Kreditgebern auferlegte Kürzungsprogramm durchs Parlament gebracht. Doch er war dafür auf die Stimmen der Opposition angewiesen. Von 149 Abgeordneten der eigenen Syriza-Partei verweigerten ihm 32 die Gefolgschaft. Eine stabile Regierung sieht anders aus. Tsipras hatte unmittelbar vor der Abstimmung gedroht, sollte dies geschehen, werde er zurücktreten. Nach der Parlamentssitzung äußerte sich der Ministerpräsident zunächst nicht. Die angenommenen Gesetze sehen eine Erhöhung der Mehrwertsteuer und die Einleitung einer Rentenreform vor. Tausende hatten vor dem Parlament in Athen gegen die Maßnahmen demonstriert. Dabei kam es zu Ausschreitungen.

Kritiker der Sparmaßnahmen gab es vor allem im linken Partei-Flügel von Syriza. Dessen Anführer, Energieminister Panagiotis Lafazanis, sagte Tsipras in der Nacht dennoch Unterstützung zu. "Wir werden gemeinsam weitermachen. Wir stützen die Regierung, sind aber gegen die Sparprogramme." Der Chef der konservativen Oppositionspartei Nea Dimokratia, Evangelos Meimarakis, kündigte an, von einem Misstrauensvotum abzusehen. Neuwahlen seien für ihn keine Option. Er sagte, die Billigung der Auflagen sei die richtige Nachricht an Europa.

Tsipras erklärte im Parlament, er sei von den Gläubigern erpresst worden, das Sparprogramm zu akzeptieren. Er habe keine andere Wahl gehabt, als dem zuzustimmen. Die Euro-Länderchefs hatten sich am Montagmorgen nach mehr als 17-stündigem Ringen auf Bedingungen für das Hilfspaket verständigt. Der Umfang der weiteren Hilfe für Athen könnte bis zu 86 Milliarden Euro umfassen, wenn die Bedingungen vorher erfüllt werden.

Das nun gebilligte vier Milliarden Euro schwere Sparpaket, für das sich Tsipras trotz eigener Vorbehalte am Dienstagabend in einem TV-Interview stark gemacht hatte, umfasst vor allem höhere Mehrwertsteuern und Zusatzabgaben für Freiberufler sowie Besitzer von Luxusautos, Häusern und Jachten. Ebenfalls enthalten: ein nahezu vollständiger Stopp aller Frühverrentungen.

Bis Mitte August benötigt Griechenland rund zwölf Milliarden Euro, um laufende Rechnungen bei Geldgebern zu begleichen.

Meinung:

Schäuble und der Grexit

Von SZ-KorrespondentHagen Strauß

Vielleicht hat sich Wolfgang Schäuble verrannt. Viele Ökonomen, aber auch seine europäischen Partner halten einen Grexit auf Zeit für abenteuerlich. Doch der deutsche Finanzminister ist davon nach wie vor überzeugt. Selbstverständlich ist die Idee auch ein Signal an die Kritiker in der Union. Wer aber eine Vereinbarung eingeht, in der ein vorübergehender Grexit aus guten Gründen nicht enthalten ist, der sollte im Nachhinein nicht so vehement darauf beharren. Da ähnelt Schäubles Verhalten dem des griechischen Premiers Tsipras. Auch der hat dem Brüsseler Ergebnis erst zugestimmt, um es dann zu verdammen. Das ganze Hin und Her belegt nur, dass man noch nicht über das Stadium der Spielchen hinaus ist. Dabei benötigt Europa jetzt Entschlossenheit - in die eine oder die andere Richtung.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort