Premier Cameron geht mit Spürhunden gegen Flüchtlinge vor

London · Die Briten setzen auf Abschottung in der Flüchtlingskrise: Mehr Zäune, Hunde-Staffeln und Polizisten sollen die Menschen in Calais abhalten, zum Eurotunnel vorzudringen. Tausende versuchen Nacht für Nacht, ins Königreich zu gelangen.

Tausende Flüchtlinge harren in Calais vor dem Eurotunnel aus und versuchen Nacht für Nacht, in ihr Sehnsuchtsland zu gelangen: Großbritannien. Die Situation spitzt sich zu, seit Anfang Juni kamen zehn Menschen bei ihren Fluchtversuchen ums Leben. In der Nacht zum Freitag sprangen erneut Hunderte auf Züge und kletterten auf Laster, um den Tunnel unter dem Ärmelkanal zu durchqueren. Die Regierung in London will deshalb härter durchgreifen.

"Die Situation ist inakzeptabel", sagte Premierminister David Cameron gestern nach einer kurzfristig einberufenen Sitzung des Nationalen Sicherheitskabinetts. "Menschen versuchen, illegal in unser Land zu kommen, und hier gibt es Behinderungen für Fernfahrer und Urlauber", so der konservative Regierungschef. Seine Lösung? "Wir werden mehr Zäune, mehr Mittel, mehr Spürhunde-Staffeln schicken." Gleichzeitig gestand er ein, dass die Krise "den ganzen Sommer ein schwieriges Thema" bleiben werde. "Wir schließen keinerlei Aktion aus."

Jede Nacht kämpfen hunderte Polizisten und private Sicherheitsleute gegen den Andrang der Flüchtlinge . Die französische Regierung hat 120 zusätzliche Beamte nach Calais beordert, woraufhin die Zahl der Fluchtversuche zuletzt sank. Trotzdem zählen die Behörden noch Tausende pro Nacht. Das Chaos führt auf beiden Seiten des Tunnels zu langen Staus. Man arbeite mit Frankreich Hand in Hand, um eine Lösung zu finden, betonte Cameron. Der Tunnel-Betreiber Eurotunnel , dessen Chef Jacques Gounon von beiden Regierungen Entschädigungszahlungen über 9,7 Millionen Euro für den Schutzaufwand fordert, begrüßte die Ankündigung Camerons.

Das Vereinigte Königreich hat bereits umgerechnet 32 Millionen Euro zugesagt, um die Sicherheitsvorkehrungen auf der französischen Seite des Eurotunnels zu verstärken. Gleichzeitig würden laut Cameron schon Gesetze verabschiedet, die das Bleiben auf seiner Seite des Ärmelkanals erschwerten. Der Premier will Stärke zeigen und dem rechten Flügel seiner Tory-Partei sowie den Rechtspopulisten der Anti-EU-Partei Ukip entgegentreten. Denn beim Thema Einwanderung, ob illegal oder aus der EU, sitzt er in seiner selbst gestellten Falle: Er hat versprochen, die Zahl der Migranten auf 100 000 Menschen pro Jahr zu senken. Und ist damit grandios gescheitert.

In der Calais-Krise will sich Cameron deshalb als Macher positionieren und wählte bereits jüngst harte Worte. "Wir werden mehr illegale Migranten aus unserem Land abschieben", versprach er den Briten und warnte die Flüchtlinge : "Großbritannien ist kein sicherer Zufluchtshafen." Er gab "Schwärmen von Menschen" die Schuld an der Krise und erntete für seine Rhetorik scharfe Kritik von Menschenrechtsorganisationen und der Opposition.

Das Königreich gilt aus vielen Gründen als ersehntes El Dorado. Zahlreiche Flüchtlinge sprechen Englisch. In Großbritannien laufen außerdem die Asylverfahren deutlich schneller ab als in Frankreich. Hinzukommt, dass auf der Insel bereits große arabische und afrikanische Gemeinschaften existieren. Verwandte oder Freunde, die es schon über die Grenze geschafft haben, könnten bei der Ankunft helfen. Und beim Finden eines Jobs. Dass in Großbritannien die Arbeitslosenquote niedrig ist, weckt genauso Hoffnungen wie die wirtschaftliche Lage, die im Vergleich zu den südeuropäischen Ländern, wo die meisten Menschen in Booten ankommen, deutlich besser aussieht. Außerdem gibt es kein Meldegesetz, sodass es einfacher ist, schwarz zu arbeiten. Es herrscht, anders als etwa in Deutschland oder Frankreich, keine Ausweispflicht. Trotz der Warnungen Camerons, trotz verstärktem Polizeiaufgebot, Hunden, Zäunen und Absperrungen wird Großbritannien deshalb das Traumziel der Verzweifelten von Calais bleiben.

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