Politisches Druckmittel? Putin droht: nur noch Bruchteil an Gas aus Russland – Brüssel: Kreml will EU ins Chaos stürzen

Teheran · Russlands Präsident Wladimir Putin blickt auf eine Turbine, die zur Wartung in Kanada war. Sollte sie nicht bald zurückgebracht werden, will der Kreml-Chef die Lieferleistungen erheblich drosseln. Und das auf Dauer. Was bedeutet dies für den Winter in Deutschland und EU-weit?

 Russlands Präsident Wladimir Putin droht mit geringeren Gaslieferungen in die EU.

Russlands Präsident Wladimir Putin droht mit geringeren Gaslieferungen in die EU.

Foto: dpa/-

Kremlchef Wladimir Putin hat mit einer Reduzierung russischer Erdgaslieferungen an EU-Länder gedroht. Über Nord Stream 1 könnten dann statt 60 Millionen Kubikmeter Gas pro Tag nur noch 30 Millionen Kubikmeter nach Deutschland gepumpt werden, sollte Russland eine in Kanada gewartete Turbine nicht rasch zurückbekommen, warnte Putin in der Nacht zum Mittwoch, 20. Juli, in Teheran nach Gesprächen mit seinem iranischen Kollegen Ebrahim Raisi und dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan. Damit würde die tägliche Lieferkapazität auf rund ein Fünftel der ursprünglichen Menge fallen.

Zugleich schlug Putin vor, dass die kürzlich fertiggestellte Nord Stream 2 in Betrieb genommen werden könne. Allerdings würde über die Ostsee-Pipeline dann nur die Hälfte des ursprünglich vorgesehenen Volumens geliefert, weil Russland den Rest für den heimischen Bedarf benötige, ergänzte er. Wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ist Nord Stream 2 nie in Betrieb gegangen.

Putin gibt dem Westen Schuld für die geringen Gaslieferungen

Putin wies eine Verantwortung für die reduzierten Erdgaslieferungen von sich und erklärte, der Westen sei selbst daran schuld. Gazprom habe „alle seine Verpflichtungen erfüllt“ und werde sie auch künftig erfüllen.

Der russische Energieriese kürzte Erdgaslieferungen über Nord Stream 1 nach Deutschland allerdings im Juni um 60 Prozent. Gazprom verwies dabei auf technische Probleme, nachdem eine von Siemens Energy für Wartungen nach Kanada geschickte Turbine wegen der Sanktionen gegen Russland zurückgehalten worden sei.

Kanada und Deutschland haben sich auf die Rückgabe der Turbine geeinigt. Doch sagte Putin am Dienstag, Gazprom habe entsprechende Dokumente noch nicht erhalten.

Der Kremlchef ergänzte, dass Gazprom Ende Juli eine weitere Turbine für Reparaturen stilllegen wolle. Falls bis dahin die nach Kanada geschickte Turbine nicht zurückgegeben werde, würden die Lieferungen von Erdgas weiter gedrosselt. Ein weiterer Grund für die Reduzierung sei, dass die Ukraine einen Teil einer Transit-Pipeline geschlossen habe, die durch von prorussischen Separatisten kontrolliertes Gebiet verlaufe, erklärte Putin.

Deutschland und EU: Putin nutzt Gas als politisches Druckmittel

Deutschland und Staats- und Regierungschef anderer EU-Staaten sehen die Reduzierungen als politisch motiviert an. Putin warnte den Westen auch, im Rahmen der Sanktionen gegen sein Land russisches Öl ins Visier zu nehmen. Pläne für einen Preisdeckel für russisches Öl würden den globalen Ölmarkt destabilisieren und die Preise hochschnellen lassen.

„Wir hören einige verrückte Ideen über eine Begrenzung des Volumens des russischen Öls und eine Deckelung des russischen Ölpreises“, sagte Putin vor russischen Reportern. „Das Ergebnis wird das Gleiche sein – ein Anstieg der Preise.“

Seit der russischen Invasion in die Ukraine am 24. Februar hat sich die EU auf Importverbote für Kohle und Öl aus Russland verständigt, die im Laufe des Jahres verhängt werden sollen. Erdgas ist aber davon ausgenommen, zumal EU-Länder wie Deutschland für die Stromversorgung und die Beheizung von Gebäuden, Wohnungen und Häusern dringend auf die Lieferungen angewiesen sind.

In Brüssel wird nun befürchtet, dass Russland die Gaslieferungen ganz kappen könnte, um EU-Staaten im kommenden Winter ins wirtschaftliche und politische Chaos zu stürzen.

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