Portugals Sozialisten erleben ein Debakel

Lissabon. Die Bürger des pleitebedrohten Euro-Landes Portugal haben ihren sozialistischen Regierungschef José Sócrates abgewählt und der konservativen Opposition die Macht übertragen

Lissabon. Die Bürger des pleitebedrohten Euro-Landes Portugal haben ihren sozialistischen Regierungschef José Sócrates abgewählt und der konservativen Opposition die Macht übertragen. Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen im ärmsten Land Westeuropas erhielt die konservativ-liberale Partei der Sozialdemokratie (PSD) von Spitzenkandidat Pedro Passos Coelho nach vorläufigen amtlichen Ergebnissen knapp 42 Prozent der Stimmen. Die seit 2005 regierende Sozialistische Partei (PS) von Sócrates musste sich mit rund 29 Prozent begnügen.Zusammen mit dem rechtskonservativen Demokratischen und Sozialen Zentrum (CDS), das auf ein Ergebnis von rund 10,7 Prozent kam, könnte die PSD von Passos Coelho eine starke Regierung mit absoluter Mehrheit der Parlamentssitze bilden. Eine Koalitionsabsprache zwischen beiden Parteien galt zwar unter Beobachtern als möglich, lag jedoch bis gestern Abend noch nicht vor.

Vor dem Hintergrund der schlimmsten Wirtschaftskrise seit der Nelkenrevolution und der Rückkehr zur Demokratie im Jahr 1974 waren rund 9,6 Millionen Stimmberechtigte aufgerufen, die bis zu 230 Mandate der Lissabonner Versammlung der Republik neu zu vergeben.

Der Präsident der Europäischen Kommission, der frühere portugiesische Ministerpräsident José Manuel Durão Barroso sagte am Sonntag nach seiner Stimmabgabe in Lissabon, es handele sich um "die wichtigsten Wahlen seit dem Ende der Diktatur".

Die Neuwahlen waren nötig geworden, weil Sócrates im März das Handtuch geworfen hatte. Zuvor hatte seine Minderheitsregierung im Parlament keine Mehrheit für das vierte Sparpaket innerhalb von elf Monaten finden können. Trotz seines Rücktritts war Sócrates als geschäftsführender Regierungschef im Amt geblieben und auch wieder ins Wahlrennen gegangen.

Der 53-Jährige "Sonnyboy" Sócrates hatte die Sozialisten 2005 zur absoluten Mehrheit und zum besten Wahlergebnis der Geschichte geführt. Nach mehreren Krisen und Korruptionsaffären in seiner ersten Amtszeit hatten die Sozialisten die Parlamentswahlen von September 2009 nur mit 36,5 Prozent der Stimmen gewinnen können.

Staatspräsident Anibal Cavaco Silva muss den neuen Regierungschef nach den Wahlen gemäß Verfassung nach Besprechungen mit allen ins Parlament eingezogenen Parteien bestimmen. Es gilt aber als sicher, dass Passos Coelho neuer Ministerpräsident wird.

Die neue Regierung wird Anfang Juli die Amtsgeschäfte übernehmen. Sie muss dann sofort die mit dem 78 Milliarden Euro schweren Hilfspaket verbundenen Sparauflagen in Gang bringen, die Anfang Mai mit der EU und dem Internationalen Währungsfonds ausgehandelt wurden. Die Gewerkschaften, linksgerichtete Parteien und zahlreiche Bürgerbewegungen kündigten für die nächsten Monaten weitere Proteste gegen die Sparpläne an. dpa

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